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Presse und Experten sind Joachim Löw und seiner deutschen Elf nach dem 2:1 in Tschechien um den Hals gefallen. Löw ist everybody’s darling. Und es stimmt auch: Bei ihm ist die Nationalelf in besten Händen. Sie spielt und, vor allem, verteidigt beeindruckend; Vorfreude auf die EM 2008 ist angebracht (wenngleich noch nicht einmal die Hälfte der Qualifikation gespielt ist). Und Löw scheint ein akribischer und intelligenter Trainer zu sein (siehe FAZ-Interview vom 27.3. und Zeit-Portrait vom 29.3.).

Doch ein paar Einwände in Anbetracht all des Lobs: Die Tschechen sind nicht mehr, wie vor drei Jahren, Maß der europäischen Fußballdinge und taktisch sehr limitiert. Außerdem waren nach dem 4:1 der Deutschen in der Slowakei im Oktober ähnliche Töne wie jetzt zu hören; einen Monat später gab’s ein 1:1 in Zypern. Auch sind die deutschen Stürmer, mit Ausnahme von Miroslav Klose, den Ausweis erster Güte noch schuldig. Und Löws Nachsicht gegenüber den Bundesligaklubs, weswegen er alle Stammspieler vor dem Dänemark-Spiel heimgeschickt hat, könnte man auch als Kleinmut auslegen und nicht als „Kommunikationsstärke“.

Ob der Zungenschlag vieler Kommentatoren berechtigt ist, wonach der deutsche Fußball nun in der Weltspitze zurück sei? Selbst wenn man es der aktuellen Mannschaft nicht absprechen will – auf jeden Fall muss man diesen Status, wenn man ihn auf Dauer für sich beanspruchen will, durch ständig hohe Arbeitsqualität und Innovation verteidigen. Das Training von heute könnte aber in zehn oder sogar in fünf Jahren überholt sein. Dann bräuchten wir vielleicht einen neuen Klinsmann.

Und dazu bedarf es auch einer klugen (und fairen) Presse. Doch wenn der Presse die Methoden, die Nationalität seiner Mitarbeiter oder einfach die Nase des neuen Klinsmann nicht passen – so wie beim alten? Die Regeln des Auf- und Abstiegs gelten nämlich nicht überall, unter Fußballjournalisten ist dieses Leistungsprinzip aufgehoben. Im „Doppelpass“ beispielsweise, dem sonntäglichen Presseschoppen des DSF, sitzen nämlich noch dieselben Experten, die vor einem Jahr noch an allem gezweifelt und alles schwarz gemalt haben. Wenn es damals nach diesen Horst-Schlämmer-Vorlagen gegangen wäre, hätten wir eine viel ärmere WM erlebt. Doch es ist noch mal gutgegangen: Klinsmann, der übrigens für die Personalie Löw verantwortlich ist, konnte den deutschen Fußball zurück in die richtigen Gleise wuchten.

Wen jucken die alten Geschichten? Auch die Presse trägt eine Verantwortung für die Qualität des deutschen Fußballs. An dem Argwohn vieler gegenüber Neuem wird sich jedoch nichts geändert haben. Im Moment sonnen sie sich im Licht der Nationalelf, doch was ist ihr Urteil wert? Vielleicht fallen ihre Gunstbezeugungen für Löw auch deswegen so günstig aus, weil sie so ihr Gespucke gegen seinen Vorgänger kaschieren wollen. Nach dem Motto: Die tolle WM war ja nicht so toll, und wenn sie doch so toll gewesen war, dann hauptsächlich wegen Löw. Ein Trick, um seine Irrtümer von gestern als Weisheiten zu verkaufen.

Wenn der (leider) nach wie vor mächtige deutsche Fußballstammtisch nicht die Lehren aus 2006 gezogen hat – und wenig deutet darauf hin –, dann könnte der Aufschwung bereits den Keim des Niedergangs enthalten.

#11 meiner Kolumne auf rund-magazin.de

7 Kommentare

  1. newtown schrieb am 30. März 2007:

    Zustimmung, Herr Fritsch, allerdings bereitet mir ein Satz etwas Kopfschmerzen: „Auch die Presse trägt eine Verantwortung für die Qualität des deutschen Fußballs“.

    Ich hoffe, die Presse nimmt ihre Verantwortung der objektiven Berichterstattung über die Qualität des deutschen Fußballs wahr. Dann können die Trainer und Spieler arbeiten und wir an den Bildschirmen und Blogs machen uns unser jeweils eigenes Bild (damit sich hoffentlich Innovation und Moderner Fußball dauerhaft etablieren).

  2. Oliver Fritsch schrieb am 30. März 2007:

    Ich verstehe das Problem nicht. Eine Presse, die fair, ausgewogen und fachlich urteilt, aus vielen Quellen schöpft usw. trägt doch zum Wohle des Fußballs bei. Im Gegensatz zu einer tendenziösen, kampagneführenden und ahnungslosen. Mehr hab ich nicht gemeint.

  3. gmachata schrieb am 30. März 2007:

    Ich hoffe doch nicht, dass die Presse eine „Verantwortung für die Qualität des deutschen Fußballs“ trägt. Da stimme ich voll und ganz newtown zu. Und das Wohl und wehe des Fußballs hat die Presse nicht wirklich zu interessieren. Dafür sind die Herren in Frankfurt (und Starnberg usw) verantwortlich. Oder wollen wir bei einem Ausscheiden in der 1. Runde der EM die Sportredakteure der FR, SZ, FAZ, BZ und anderen Publikationen zur Rechenschaft ziehen?

    Natürlich ist das Gerionten-Gerumpel im Doppelpass nur nach einem ausgiebigen Frühschoppen erträglich, oder als frühmorgendliche Comedy. Aber nicht die Redner sind für das Ergebnis verantwortlich, sondern die Umsetzer, die Manager, Präsidenten und Trainer. Wenn jemand 2007 noch einen feuchten Kehricht auf Udo Lattecks Meinung gibt, ist er selber schuld. Gleiches gilt auch für die Ergüsse des Blattes mit den großen Buchstaben.

    Nichtsdestotrotz hat Löw die Niederlage bewusst in Kauf genommen. Und auch die Prügel, die er dafür beziehen könnte. Wahrscheinlich ist es ihm völlig egal. Genau wie die Pfiffe des Publikums, das war im Interview nach dem Spiel sehr deutlich zu sehen. Zu Recht lässt er sich an den „echten“ Ergebnissen messen. Aber das Schöne ist doch: Die Pfeiffer hatten genauso recht (das Spiel war wohlwollend mäßig) wie Löw (die Fitness und mentale Ruhe der Spieler ist wichtiger). Bleibt nur die Frage: Warum zahlt jemand so viel Geld für ein völlig unwichtiges Spiel, bei dem schon bei der Terminansetzung klar war, dass nur die stellvertretenden Vize-Ersatz-Spieler auflaufen? Oder dachten die Zuschauer, sie hätten Eintritt für eine Zirkusvorstellung gekauft, wo dressierte Affen wie Ballack und Klose ihre Kunststückchen vorführen?

  4. Oliver Fritsch schrieb am 30. März 2007:

    Hätten die Deutschen im März 2006 das Testspiel gegen die USA nicht gewonnen (4:1), wäre es vermutlich um Klinsmann geschehen gewesen – und die Bild-Zeitung hätte ihr Ziel erreicht gehabt. So bedauerlich es ist: Sie ist eine sehr große Macht in Deutschland (natürlich nicht nur im Fußball).

    Allerdings war es nicht Bild alleine, die damals für die schlechte Stimmung zuständig war:
    http://www.indirekter-freistoss.de/home/deutscheelf-240306.html

  5. Ylem schrieb am 30. März 2007:

    Wer die WAZ liest (und ernst nimmt) ist sowieso selber Schuld.

    Justens Azubi (Peter Müller) vor einigen Jahren:

    „Wenn es Mario Basler nicht schon gäbe, müßte man ihn klonen.“

    Ich lese lieber Raphael Honigstein.

  6. Oliver Fritsch schrieb am 30. März 2007:

    Wovon noch gar nicht die Rede gewesen ist: Die Presse hat auch die Aufgabe zu prüfen, ob es im Fußball mit rechten Dingen zugeht oder auch nicht: Bestechung, Korruption, Betrug, Doping und so weiter. Auch das tut (eher: täte) sie „für“ den deutschen Fußball, wenn auch nur indirekt.

    Doch wer tut das schon, wer kuckt da genau hin? Dazu demnächst mehr …

  7. Patricia schrieb am 14. Dezember 2015:

    Is that really all there is to it because that’d be flgngerbastiba.

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