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René Martens Die WM am Ende der Welt

von René Martens

Wenn die Rede ist von der globalen Informationsgesellschaft oder auch von den neuen Märkten, die die großen europäischen Fußballklubs im Visier haben, gerät gern aus dem Blick, dass Millionen von Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika nur begrenzt Zugang zu Medien haben. Wie kommt der Mediensport bei denen an, die allenfalls am Rande des globalen Fußballmarktes leben? Welches Bild haben sie von den Protagonisten des Spiels?
Über das Thema könnte man eine Doktorarbeit schreiben, doch Gerardo Olivares hat sich davon zu einer leichfüßigen Komödie inspirieren lassen: Der spanische Regisseur erzählt in drei parallel verlaufenden Episoden, wie Menschen aus äußerst abgelegenen Weltregionen versuchen, das Endspiel der WM 2002 zwischen Brasilien und Deutschland am Bildschirm zu verfolgen.
Olivares hat „Das größte Spiel der Welt“ in Gegenden gedreht, in denen sonst keine Spielfilme produziert werden: Die Geschichte des Films, der heute in die Kinos kommt, beginnt in der eisigen Steppe der Mongolei, wo Nomaden Füchse jagen. Die anderen Schauplätze: der Dschungel des brasilianischen Amazonasgebiets sowie die Wüste des Niger. Um eine gewisse Authentizität zu gewährleisten, hat Olivares – der, wie man den Landschaftsaufnahmen anmerkt, sonst Naturdokus dreht – ausnahmslos Laiendarsteller aus den jeweiligen Regionen rekrutiert.
Die meisten Protagonisten wissen nicht, ob sie rechtzeitig einen Ort erreichen, an dem sie die TV-Bilder empfangen können. Hinzu kommen technische Probleme: Die brasilianischen Indianer etwa geraten in Panik, weil ein Mädchen das Kabel ihrer Satellitenschüssel als Kopfschmuck zweckentfremdet hat.
Den Wettlauf mit der Zeit verknüpft Olivares mit ironischen Anspielungen auf die Themen der großen weiten Fußballwelt, etwa Merchandising oder Spielerhandel. Und als die Amazonas-Indianer einen Affen jagen, ahmt einer brabbelnd einen Reporter nach, so wie es Kinder überall auf der Welt tun, wenn sie Fußball spielen („Cafu dribbelt, Ronaldo schießt“). Doch wie der Schuss des Stars in der imaginären Reportage misslingt auch die Blasrohr-Attacke auf den Affen. Man kann die Sequenz verstehen als Augen zwinkernde Referenz an den Verhaltensforscher Desmond Morris, der den Fußball als Analogie „zur archaischen Jagd- und Stammesgesellschaft“ sieht.
Sehr amüsant ist das Deutschland-Bild der Filmfiguren. „Deutschland hat sich in der Geschichte immer wieder erholt“. sagt ein Leutnant aus einer Gruppe mongolischer Soldaten, die sich das Finale gemeinsam mit den Nomanden anschaut, nach dem 1:0 der Brasilianer. Ein vermeintlich Verrückter aus der Nomandenfamilie, der sonst stets schweigt, entgegnet altklug: „Deutschland verliert, denkt an Stalingrad.“
Als das Ende des Spiels naht, geht dem Regisseur leider die Puste aus. Der Film plätschert dem Abspann entgegen, eine überraschende Volte hätte hier gut getan. Mancher deutsche Kinozuschauer wird zu diesem Zeitpunkt noch ein bisschen irritiert sein, aber das hat nichts mit dem Plot zu tun. In den unscharfen Ãœbertragungsfetzen ist nämlich Jens Jeremies auszumachen. Der spielte mit? Die Ära Völler – man hatte sie schon fast vergessen.

1 Kommentar

  1. newtown schrieb am 7. Juni 2007:

    Schöner Beitrag!

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