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Jens Kroh

Seit drei Jahren gratuliert mir Karl-Heinz Rummenigge jedes Jahr schriftlich zum Geburtstag. Auch kurz vor Saisonbeginn denkt der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG immer an mich und schickt mir den aktuellen Fanartikelprospekt des Rekooooordmeisters. Dieses Schreckensszenario habe ich mir selbst zuzuschreiben, war ich doch 2005 einen Moment unaufmerksam – nennen wir es beim Namen: gefühlsduselig. Ein treuer Weggefährte von mir, gleichzeitig notorischer Bayernfan, feierte Hochzeit und als Zeichen, dass echte Freundschaft auch die tiefsten Gräben überwinden kann, habe ich ihm eine FC Bayern-Krawatte geschenkt. Da ich das Utensil auf elektronischem Wege orderte, befinden sich meine persönlichen Daten seither im Besitz der Münchner. Mit bekannten Folgen. Jedes Mal, wenn ich wieder Post aus München erhalte, denke ich, das ist wohl die gerechte Strafe Gottes (der, wie wir spätestens seit Getafe wissen, selbst in Lederhosen bekleidet, den Lauf der Dinge mehr schlecht als recht überwacht).

Doch nach geschätzten zehn – und gefühlten hundert – Prospektsendungen aus München wird mir allmählich klar: Das Unheil ist der Lösung erster Schritt. Der „Break-Even-Point“ ist bald erreicht. Denn in drei Jahren sollte der FC Bayern den Gewinn, den er durch meine Bestellung erzielt hat, durch die Zustellkosten für die Prospekte wieder eingebüßt haben; es braucht hier nicht erwähnt zu werden, dass sich die Bestellung trotz Werbeträger des Schlages Mark van Bommel, Christian Lell und Martin Demichelis niemals wiederholen wird. Denkt man die skizzierte Konstellation konsequent zu Ende, dürften die Münchner spätestens 2012 jährlich einen Verlust von 2,90 Euro durch mich verzeichnen. Bis an mein Lebensende (bei derzeitigen Lebenserwartungsprognosen nicht vor 2060) dürfte ich ihr Festgeldkonto somit um fast 150 Euro erleichtert haben.

Daher verstehe ich mich mittlerweile als leuchtendes Beispiel für weitere Fußballfans, die sich überlegen, wie sie die Dominanz der Bayern durchbrechen können. Ihnen rate ich: Bestellt das günstigste FCB-Gadget (Tipp „Aufkleber Emblem“ zu 2 Euro) per Online-Versand und freut Euch, wenn teure Hochglanzprospekte in Eurem Briefkasten eintreffen; obschon es vor Nachbarschaft und Briefträger durchaus peinlich ist. Gleichzeitig muss ich aber auch mahnen: Vielleicht lässt sich der FC Bayern nämlich gar nicht so leicht ruinieren und verzichtet auf Zusendung von Geburtstagsgrüßen und Werbematerialien, sobald über längere Zeit keine Bestellung eingeht. Doch wer glaubt schon, dass der Kampf gegen die Marktmacht des FC Bayern München ein gänzlich risikofreies Unterfangen ist?

Jens Kroh ist Verteidiger beim MTV Gießen und Autor

13 Kommentare

  1. Easyfunk [welt-hertha-linke] schrieb am 18. April 2008:

    Man könnte die Aktion noch günstiger starten und einfach mal per Mail anfragen, ob sie einem nicht den aktuellen Katalog zukommen lassen könnten. Das machen die ganz bestimmt. Man muss also wahrscheinlich nicht einmal einen einzigen Cent investieren um die Bayern bluten zu lassen! Am besten gibt man dann noch die Adressen von Freunden und Verwandten in Ãœbersee an. Das dürfte die Kosten noch einmal potenzieren! Was für ein perfider Plan…

  2. jokus schrieb am 18. April 2008:

    Grundsätzlich sollte man versuchen in 3 Adresslisten NICHT zu kommen:
    1. FC Bayern München und 2. die beiden Verkehrssünderkarteien in Flensburg (wobei die 2. dort wenigstens diskret liefert und dem Postboten bei Auslieferung der Ware per Dienstbeschluss verboten ist zu Grinsen)

  3. Padbernd schrieb am 18. April 2008:

    Einfach herrlich!

  4. nedfuller schrieb am 18. April 2008:

    Wenn wir alle mitmachen, wird die Bundesliga wieder spannend? Und der HSV verpflichtet den Toni, Luca?

  5. Jochen schrieb am 23. April 2008:

    @Easyfunk: das geht noch einfacher als per Mail – einfach im FC-Bayern-Webshop den Katalog ordern:

    https://shop.fcbayern.de/index.php?action=purchase&do=userdata_katalog

  6. franzferdl schrieb am 13. Mai 2008:

    ich könnte folgende links wohl in mehreren blog-beiträgen anbringen, weil viele zumindest eine grundüberzeugung teilen: bayern muss „ausgeblutet“, „gehasst“ etc. werden. für diejenigen, die noch bereit sind, ihre antibajuwarischen ressentiments und ihren ausgesprochen ewiggestrigen irrationalismus zumindest einer kritischen, vielleicht sogar selbstkritischen reflexion auszusetzen, sei hiermit ein artikel von jürgen roth aus der fr anempfohlen. darin nimmt sich der autor die spezifischen redeweisen von bayern-hassern kritisch vor & kontextualisiert sie treffend in einer entsprechenden genealogie reaktionärer anti-modernisten. aber wie gesagt: der text ist möglicherweise für einige, z.b. für jens kroh, nur mit vorsicht zu geniessen, weil sich dadurch die eigene, so selbstsicher & platt eingenommene fussballideologische anti-bayern-position als zumindest kritikwürdig erweist…
    hier also der link: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/aktuell/?em_cnt=1329288&
    und hier der link zum text von alex feuerherdt, den roth erwähnt:
    http://www.antifa-freiburg.de/spip.php?page=antifa&id_article=491&design=3

  7. Oliver Fritsch schrieb am 16. Mai 2008:

    Auch noch humorlos, franzferdl?

  8. franzferdl schrieb am 16. Mai 2008:

    wieso „noch“? was denn „noch“? im übrigen hätte mein eintrag sicherlich auch sehr gut zu deinen texten gepasst…

  9. Oliver Fritsch schrieb am 20. Mai 2008:

    Wenn wir Roth richtig verstehen: Wir mögen also Bayern München nicht, weil wir (linke) Antisemiten sind?!

  10. franzferdl schrieb am 21. Mai 2008:

    ich geh jetzt mal davon aus, dass du dich knapp 7 tage mit dem roth-artikel beschäftigt hast. bedauerlich, dass du daraus lediglich den (unrichtigen) verdacht ableitest, alle bayern-hasser seien antisemiten. das steht so natürlich an keiner einzigen stelle des textes. aufmerksamen und nachdenkenden leserInnen dürfte hingegen nicht entgangen sein, dass es zunächst ein mal um eine interessante geschichte bestimmter, sich als recht stabil erweisender redeweisen geht, die den fcb als das „böse“, „verhasste“ etc. andere der eigenen „reinen“ fussballvorstellung thematisieren. und genau solche anti-bayern-diskurse besitzen eine eigene realität an & für sich, insofern sie eben gesagt worden sind bzw. gesagt werden. wenn man das einmal akzeptiert, könnten solche diskurskritischen und sprachkritischen ausführungen zunächst ein mal dazu benutzt werden, seine eigenen denk- und redeweisen zumindest ansatzweise einer kritik zuzuführen, d.h.: man könnte sie gewissermaßen destabilisieren. alles andere ist, wie roth sagt & ich andernorts auch schon mal gesagt habe, „wohlfeil“.

    interessant ist es eben schon, welche tiefschürfenden emotionen & irrationalitäten, und damit natürlich auch „konnotationen“ (roth) die negative rede vom fc bayern hervorruft… und seien wir doch mal ehrlich: während z.b. (!) bei bayern eben diese, empirisch ja vollkommen richtig bemerkte und sicherlich mehr als kritikwürdige amigopolitische verbindung zur bayerischen staatspartei (das sagt im übrigen auch roth) hergestellt wird, bleibt es interessanterweise immer sehr unterbelichtet und kaum kritikwürdig, dass etwa der vfb stuttgart, genauso wie der dfb über jahrzehnte von einem volltrunkenen politischen rechtsaußen regiert wurde, der in seiner eigenschaft als spätzle-kultusminister am beginn jedes schultages immerhin alle strophen des deutschland-liedes stramm absingen lassen wollte…

  11. Oliver Fritsch schrieb am 21. Mai 2008:

    Kritik an Mayer-Vorfelder ist immer willkommen. Und war sie schon immer, auch als er The Big Gun beim VfB war. Für VfB-Fans immer ein Grund zum schämen. Eine gute Presse hatte er übrigens nie.

    Der Roth-Text, den ich auch vor Ihrem Hinweis kannte, ist fürchterlich, widersprüchlich und perfide. Natürlich deutet er darin an, dass Abneigung gegen Bayern auf antisemitische Wurzeln zurückgehe. So ein Humbug!

  12. franzferdl schrieb am 21. Mai 2008:

    er deutet darin natürlich nicht an, dass „abneigung gegen bayern“ per se antisemitisch sei. das wäre selbstredend schwachsinn. was er aber andeutet, ist, dass sich die abneigung gegen bayern bestimmter sprachbilder, eines bestimmten vokabulars bedient. und genau dieses vokabular steht selbstverständlich – wie vieles andere auch – in einem geschichtlichen, kulturellen, gesellschaftlichen politischen etc. zusammenhang. und auf diesen weist roth mit feuerherdt hin, indem er von bestimmten antisemitischen konnotationen spricht, sobald bayern mithilfe bestimmter (!!! d.h. eben nicht aller!) metaphern be- bzw. niedergeschrieben wird, die sich eben einordnen in bestimmte aussagesysteme, die aufgrund bestimmter regeln funktionieren. wer das nicht sehen möchte, geht immer noch davon aus, dass sprache mehr oder weniger ahistorisch die sache, wie sie wirklich & wahrhaftig sein soll, benennt. insofern besteht, soviel anregung sei erlaubt, erheblicher nachholbedarf in sachen „linguistic turn“.

    interessant finde ich dann im übrigen genau solche, zugegeben eher erwartbare, kategorische abwehrversuche, eine bestimmt kritikweise, die gerade auch die eigene position betreffen könnte, schroff & indigniert abzuweisen, und zwar mit dem so oder so ähnlich formulierten hinweis, hier würde nur jemand die „auschwitz“-keule schwingen. und genau mit diesem (falschen) hinweis darauf wird sogleich jegliche (diskurs-)kritik verunmöglicht. inwiefern der roth-text sogar „fürchterlich“ oder „widersprüchlich“ sein soll, erschliesst sich mir nicht. brillant ist er sicherlich nicht – das geschwafel zum schluss bzgl. einer müden mannschaft hätte er sich schenken können – allerdings problematisiert er ein brisantes thema, das im mainstream der fussballberichte bzw. -diskurse gerne mal untergeht.

    ich weiss, es bedeutet gewissermaßen eine narzistische kränkung, bestimmte, vielleicht sogar eigene aussagen in einer bestimmten geschichtlichen tradition verorten zu müssen. die reaktion ist dann ja meistens nicht, seine aussagen und formulierungen zu überdenken, sondern denjenigen, der darauf aufmerksam macht, recht hilflos zu diskreditieren.

    ist es denn so schwer kritisch über bestimmte redeweisen zu reflektieren? oder ist es nur so schwer, weil der fc bayern hier auf einmal in einem gänzlich „unbekannten“ zusammenhang auftaucht?

  13. Jens Koch schrieb am 10. Februar 2009:

    HAHA HAHA
    Alles schoes und gut aber Ich glaube nicht das es so einfach ist die BEyern, auf den Arm zu nehmen, weil zumal alle ihre Produkte werden irgendwo in China hergestaellt und die Kosten seind desewegen sehr klein! Also muessete man scho mehr als ne milliarden Kataloge bestelen um die Bayern Pleite zu kriegen :p

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