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Selten im Fußball, in politischen und juristischen Dingen kommt es häufiger vor – beide Seiten feiern ein Unentschieden als Sieg. Was zunächst nach einem Rückzug aussah, die Gerichtliche Einigung mit dem DFB, feiert Manfred Amerell als Fortschritt. „Für uns ist es bestmöglich gelaufen“, sagt dessen Anwalt Jürgen Langer. Die vier Schiedsrichter (drei Anonyme und Michael Kempter) „werden vom Staatsanwalt hören“, heißt es nun unzweideutig.

Am Abend ging Amerell bei Kerner weiter in die Offensive. In der Wortwahl verklemmt („Bisexuell?“ „Könnte man so ausdrücken.“), gestand er „körperliche Kontakte“ mit Michael Kempter, pochte aber darauf, dass er mit Kempters Einvernehmen gehandelt habe. Die E-Mails, die er (angeblich) von Kempter präsentierte, dürfte ihn darin bestätigen.

Rechtlich kann Amerell noch Punkte sammeln. Moralisch bleibt, wie immer in solchen Fällen, ein Nachgeschmack. Sex mit einem „Untergebenen“, einem potentiell Begünstigten – das schafft Abhängigkeitsverhältnisse, die die Begriffe „Einvernehmlichkeit“ und „Freiwilligkeit“ verwässern. Dass Theo Zwanziger auf einen Rücktritt Amerells gedrängt hatte, war richtig. „Wir haben den Fall transparent, aber mit der nötigen Vertraulichkeit gelöst“, sagt er. „Das Ganze schadete uns nur, wenn wir Dinge unter den Teppich kehren würden. Das ist nicht der Fall.“ Über das Wie sollte er sich aber Gedanken machen, vor allem über die Wack-Nummer.

Daher könne der DFB „in weitaus größere Bedrängnis“ geraten, schreibt die SZ. Denn wenn der Zeuge Kempter unglaubwürdig ist, schadete das Zwanziger, der seine Vorgehensweise sehr an dessen Aussagen orientiert hat, sich geradezu an ihn gebunden.

Mit der überflüssigen Erwägung eines Rücktritts hat sich Zwanziger noch stärker in die Bredouille gebracht. Heute melden SZ und FAZ einvernehmlich, dass man nicht mehr die Hand vorhalten müsse, wenn man den möglichen Nachfolger Zwanzigers beim Namen nennen möchte. Im Gespräch ist die „große Lösung“: nämlich Franz Beckenbauer als neuer Präsident, mit einem gestärkten Wolfgang Niersbach (Osieck 2010), im Sommer könnte Matthias Sammer als neuer Bundestrainer folgen und Oliver Kahn als Manager. In dieser Aufzählung fehlt ja nur noch einer.

Michael Horeni (FAZ) kann sich die Folgen an fünf Fingern abzählen:

„Die publizistische Unterstützung des Boulevards für dieses Revirement ganz im Sinne der alten deutschen Fußballfamilie kann man sich nicht groß genug vorstellen. Unter solchen Umständen ist die Rücktrittsdrohung von Zwanziger längst nicht mehr ein so starkes Druckmittel, wie es das noch in der juristischen Auseinandersetzung mit einem Journalisten und in internen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit gewesen ist.“

Mit Kempter befasst sich Boris Herrmann (Kölner Stadt-Anzeiger):

„Es steht die Vermutung im Raum, dass die drei anonymen Schiedsrichter, die Kempters Aussage stützen, engste Vertraute von ihm sind. Wenn das stimmt, wenn sie möglicherweise eine Eidesstattliche Versicherung unterzeichnet haben, die in sich zusammen fallen, dann werden etwaige Schmähgesänge von den Tribünen noch das geringste Problem sein, dem sich Kempter in den kommenden Wochen konfrontiert sieht.“

Kempters Karriere im Profifußball dürfte ohnehin beendet sein, nachdem gestern aus seiner E-Mail zitiert worden ist, die er vor im April 2007 vor einem Champions-League-Spiel geschrieben haben soll: „Freu mich aufs Bayernspiel. Hoffentlich fliegen sie gleich raus. Dann stoßen wir an.“ Das kann hier kein Schiedsrichter überstehen.

Bei der Bewertungs des Argentinien-Tores mache ich es mir mal einfach. Ich schließe mich Christian Eichler (FAZ) an.

21 Kommentare

  1. Max schrieb am 5. März 2010:

    Sehe das genauso. Die Karriere Michael Kempters ist vorbei. Und über die Art und Weise, wie das zustande kam, werden wir wohl noch einige Zeit lang reden.

  2. latze schrieb am 5. März 2010:

    Die Folgerung aus Kempters Aussage über das „Bayernspiel“ ist vielleicht notwendig, aber scheinheilig. Alle Schiedsrichter üben diese Tätigkeit aus, weil Sie Fußball lieben, also Fans sind. Und Fußballfans haben nun mal auch Lieblingsvereine. Die Kunst eines guten Schiedsrichters ist es, trotz der eigenen Vorlieben stets die professionelle Unparteilichkeit zu wahren. Das gilt genauso auch für Sportjournalisten. Dass etwa Manni Breuckmann Schalke-Fan ist, weiß jedes Kind. Aber hat man es seinen Reportagen je angemerkt? Nein.
    Zu glauben, dass es Schiedsrichter gibt, die im reinsten Wortsinn unparteiisch sind, halte ich für naiv. Verlangen muss man ledigich können, dass sie sich unparteiisch verhalten. Aus diesem Blickwinkel ist Kempters Mail natürlich dumm – aber sie war ja auch ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit gedacht.

  3. Oliver Fritsch schrieb am 5. März 2010:

    Ist klar, latze. Aber durch das Öffentlichwerden ist das eine riesige Angriffsfläche. Kempter dürfte doch keinen Elfmeter gegen Bayern pfeifen, ohne von Hoeneß ausgezählt zu werden.

    Noch zwei Ergänzungen:

    1. Dass Manni Breuckmann Schalke-Fan ist (also Fan, wie man es landläufig versteht), bestreitet er.
    2. Schalke ist nicht Bayern.

  4. Oliver Fritsch schrieb am 5. März 2010:

    Kaum sag ichs:
    http://www.spox.com/de/sport/fussball/zweiteliga/1003/News/michael-kempters-einsatz-wieder-abgesagt-msv-duisburg-union-berlin-emails-manfred-amerell-glaubwuerdigkeit.html

    Die Bayern-Nummer bietet dem DFB übrigens einen eleganten Weg, sich von Kempter zu trennen.

  5. Enno schrieb am 5. März 2010:

    Kleine Anmerkung: Zwanziger hat Amarell nicht seiner Funktion enthoben. Dieser ist selbst aus „gesundheitlichen Gründen“ zurückgetreten, bzw. hat seinen Rücktritt angeboten. Ich finde, dass das einen Unterschied macht.

  6. latze schrieb am 5. März 2010:

    Na klar, die Geschichte jetzt mit den Bayern leuchtet ein. Und natürlich ist Kempters Demission da die einzig logische Folge. Scheinheilig bleibt es dennoch.

    Zu Beuckmann: Nennen wir ihn Sympathisant. Dass er bestreitet, Fan zu sein, ist ja genau der Ausdruck der vorbildlichen Professionalität, die ihn auszeichnet.

  7. Oliver Fritsch schrieb am 5. März 2010:

    @Enno: Amerell sagt, er sei erpresst worden. Sagen wir es so: Seine Demission war Zwanzigers Wille. Ich habs ein wenig geändert.

    @latze: Das ist kein Ausdruck seiner Professionalität. Er ist kein Fan. Woher ich das weiß? Ich hab mich lange darüber mit ihm unterhalten. Wir sind uns da sehr einig.

  8. latze schrieb am 5. März 2010:

    @ Oliver Fritsch: Ok, 0:1, ich gebe mich geschlagen. War mir ziemlich sicher, über Breuckmanns Liebe zu Schalke in einem größeren Bericht zu seinem Abschied vom Hörfunk-Mikro gelesen zu haben.

  9. Lena schrieb am 5. März 2010:

    Ok, hier geht es weiter. 🙂 Dann c/p ich meinen Kommentar mit Verlaub hier noch einmal überarbeitet:

    Also es war ja schon erfrischend, den Amarell anstelle seines dumpfen RA reden zu hören. Und mit den E-Mails ist schon fast erdrückend klar, dass Kempter und er ein Verhältnis hatten. Damit wird Kempter völlig unglaubwürdig. Von wegen auf den Mund geküsst und nicht gewollt.

    Soll jetzt Amarell aus dem Amt, weil er mit „Untergebenen“ angebandelt hat? Echt jetzt? Franz B. hat doch auch seine Sekretärin… aber das ist ok, gelle? Willi B. und die Journalistinnen, Lafontaine und wie-heißt-sie-noch. Potentiell begünstigte. Daher Freiwilligkeit und Einvernehmlichkeit verwässert. Was ein Quark. Eine hübsche Frau, ein reicher Mann, potentiell begünstigt. Daher weniger freiwillig? Nein. Eher gerade deswegen freiwillig und einvernehmlich. 🙂

    Wenn er gefeuert gehörte, dann deswegen, weil er eventuell andere NICHT begünstigte, sondern seine „Opfer“ bevorzugt behandelte. Hat er das?

    Was das mit den anderen drei auf sich hat, wird sich zeigen, Stichwort Facebook Freunde von Kempter. Dass Verhältnisse mit zu beurteilenden Mitarbeitern grenzwertig sind, ist klar. Aber gang und gäbe. Und noch mal, es ist eher unfair den anderen, den „Outsidern“ gegenüber, die nicht jüngst Fifa-Pfeife werden. Wobei der Kempter mir nie negativ aufgefallen ist als Schiedsrichter.

    Aber zumindest im Fall Kempter scheint es doch so zu sein, dass andere Motive drängender waren, als das Gefühl sexuell belästigt worden zu sein. Und jetzt muss sich 20er fragen, vor was für einen Karren er sich hat spannen lassen. Und warum er in dieser Art und Weise vorverurteilt hat. Ankläger, Richter und Henker in einer Person.

    Richtig schockiert mich, was daraus werden könnte. Die Restauration im DFB. Rückwärts in die Zukunft. Ja mei.

  10. Oliver Fritsch schrieb am 5. März 2010:

    Vermutlich liegt die Wahrheit zwischen Amerells Version bei Kerner und Kempters Version in seinen diversen Interviews.

  11. Carsten schrieb am 6. März 2010:

    Um kurz den Vergleich mit Manni Breuckmann zu nennen: Klar sympathisieren Sportreporter mit Vereinen. Aber genau das mag ich an einigen Sportreportern, schließlich macht es die Übertragung lebendig und, das ist das wichtigste, ein Sportreporter beobachtet Spiele, er entscheidet nicht.

    Die ganze Chose Amerell/Kempter hätten sich die Beteiligten selbst ersparen können. Andererseits muss man ihnen auch ein wenig dafür dankbar sein, so seltsam das auch klingen mag, dass ihretwegen lang bestehende Missstände des Schiedsrichterwesens mal breiter diskutiert werden. Wenn an einem Wochenende eine grobe Falschentscheidung ist, hat das eine geringe Halbwertzeit und die Diskussionen über das Schiedsrichterwesen verlaufen unsachgemäß. Aber diese Affäre hat für die nötige Öffentlichkeit gesorgt.

  12. Lujack schrieb am 6. März 2010:

    Ich finde Zwanziger kann es sich eigentlich nicht leisten, dass Kempter aufhören muss. Spätestens mit seiner Rücktrittsdrohung wird deutlich, dass er es als seine Aufgabe ansieht, die vier Schiedsrichter vor Schaden zu bewahren.
    Er hat zuvor auch schon in Interviews geäußert, dass die Karriere der Schiris keinen Schaden nehmen soll. Die Email zum Bayernspiel ist für mich Teil des Streits und kein separates Ereignis.

    Ich halte eine Lösung in der die Bayern mal Größe zeigen und man den Schiri in der 3./4. Liga noch mal anfangen lässt für besser, für alle Beteiligten. Wetten würde ich allerdings nicht darauf, dass Kempter nochmal ein Spiel pfeift.

    Eher würde ich darauf wetten, dass am Ende alle Ihren Job los sind. Denn wenn ein Beckenbauer erst mal für einen Posten ins Gespräch gebracht wird …

  13. Lena schrieb am 6. März 2010:

    In dieser E-Mail ging es darum, auf ein Ausscheiden der Bayern in der CL (!) mit Amarell anzustoßen. Sehr irritierend für mich. In der CL bin ich dann schon auch Bayern Fan…

    Wie käme ein Schiri auf die Idee, seinem „Ausbilder/Obmann/WasAuchImmer“ vorzuschlagen, darauf anzustoßen, wenn nicht schon vorher die Präferenzen klar wären. Und es klar ist, dass man sowas schreiben kann. Anders ausgedrückt, Amarell und Kempter müssen schon öfter über ihre Vorlieben gesprochen haben, die müssen davor bekannt gewesen sein und Amarell dürfte den Eindruck vermittelt haben, dass Feiern bei Bayern Niederlagenen ihm nicht fern ist.

    Mich stört solch eine private Meinungsäußerung nicht. Ich kann bei Kempter keine schlechten Schirileistungen feststellen. Natürlich ist durch das Öffentlichmachen es unmöglich, dass er noch Bayern Spiele pfeifen kann, aber den Rest sehr wohl.

    Zu glauben Schiedsrichter seien unparteiisch überall und jederzeit ist Quark. Hauptsache sie sind es – oder besser – versuchen es, auf dem Platz zu sein.

  14. Oliver Fritsch schrieb am 7. März 2010:

    Das sehe ich genauso, aber traust Du Rummenigge und Hoeneß so viel Humor zu, darüber hinwegzusehen?

  15. WachmannMancuso schrieb am 7. März 2010:

    @Oli Du glaubst doch nicht etwa im Ernst, dass in anderen Ligen ein Schiedsrichter, der mit einer solchen Aussage in der Öffentlichkeit zitiert wird, noch Profispiele leiten darf? Oder wie darf ich Deinen Einwurf „Das kann hier kein Schiedsrichter überstehen.“ verstehen? Aber hier sind mal wieder die Bayern an allem schuld. Grüße aus der Heimat

  16. JK schrieb am 7. März 2010:

    Den Bayern soll hier die Schuld in die Schuhe geschoben werden? Prüfen Sie Ihre Paranoia, Mancuso.

  17. PeterP schrieb am 7. März 2010:

    @Mancuso: Wenn Sie wirklich andeuten wollen, dass Lena und der Hausherr hier irgendwelche Ursache oder Schuld bei den Bayern gesucht haben sollen – dann hat das schon fast pathologische Züge. Oder hab ich Ironie überlesen, einen insidergag falsch verstanden?

    Ein Tipp: Vielleicht nicht an einem Tag nach einem Punktverlust schreiben.

  18. WachmannMancuso schrieb am 7. März 2010:

    @PeterP
    @JK
    Mein Kommentar sollte lediglich andeuten, dass ich zwischen den Zeilen zu erkennen vermochte, dass der FC Bayern aufgrund seines fehlenden Humorverständisses (auf welches Oli in seinem aktuellen Beitrag ein weiteres Mal hinweist) und seines unbestrittenen Einflusses beim DFB eine Fortsetzung von Kempters Karriere unmöglich mache. Als Indizien meiner These sollen für dieses Mal die Sätze „Kempter dürfte doch keinen Elfmeter gegen Bayern pfeifen, ohne von Hoeneß ausgezählt zu werden.“ und „Das kann hier kein Schiedsrichter überstehen.“ ausreichen. Hätte Kempter zum Beispiel etwas ähnliches über Schalke geschrieben, dann hätte er auch auf Schalke keinen unberechtigten Elfmeter pfeifen können, ohne dass Magath auf die Palme gehen würde.
    Einen schönen Sonntag an alle,
    Saludos

  19. Frerk Meyer schrieb am 7. März 2010:

    Wenn anti-Bayern-Haltung eines Schiedsrichters ausreicht, müßte auch das Gegenteil greifen und dann hätten wir fast keine bundesligatauglichen Schiris mehr. Wer zähtl all die unberechtigten elfmeter, Abseitstore, etc. etc. die die pro-Bayern-Fraktion der Schiris all die Jahre zusammengepfiffen hat?

    Viele grüße
    Frerk Meyer

  20. PeterP schrieb am 8. März 2010:

    @Mancuso: Aha

  21. gecko schrieb am 8. März 2010:

    „Das ist kein Ausdruck seiner Professionalität. Er ist kein Fan. Woher ich das weiß? Ich hab mich lange darüber mit ihm unterhalten. Wir sind uns da sehr einig.“

    @Oliver Fritsch: Könnten sie das etwas genauer ausführen. Das würde mich sehr interessieren

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