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Theo Zwanziger bleibt DFB-Präsident. Die Frage ist: Eher weil er das gut macht oder eher, weil er „alternativlos“ (DFL-Präsident Reinhard Rauball) ist – und Franz Beckenbauer schlau genug ist, es schön sein zu lassen? An Macht jedoch wird Zwanziger sicher einbüßen, auch gegenüber der Liga, die ihm sicher mitgeteilt hat, was ihre Unterstützung „kostet“.

Die Sonntag-FAZ kürt Rauball, in dieser Angelegenheit Wortführer der Bundesliga, zum sportpolitischen Gewinner der Woche. In der FR lesen wir: „Zwanziger hatte im fünfeinhalbstündigen Sitzungsmarathon Saures bekommen, das ließ Rauball deutlich durchklingen. Dem DFB-Boss wurde dringend geraten, sich künftig in der Öffentlichkeit mehr zurückzuhalten und mehr zu delegieren.“ Die SZ befasst sich auch mit der Sitzung vom Freitag.

Eigentlich müsste ich jetzt ein Klagelied anstimmen, dass der Einfluss des Amateurfußballs unter diesen Bedingungen verlieren wird. Eigentlich. Doch faktisch kann der Amateurfußball gar nicht mehr an Einfluss verlieren, weil es seit Jahren niemanden von Gewicht gibt, der seine Interessen vertritt.

Erleichterte Pressekommentare über Zwanzigers Verbleiben findet man nicht. Mein Zeit-Online-Kollege Steffen Dobbert kommentiert die Entscheidung:

„So offen und liberal Zwanziger den Verband machen wollte, so geschlossen und hierarchisch wirkt der DFB im März 2010. Aus dem Sympathieträger Theo Zwanziger ist ein Präsident zum Fürchten geworden. Wie glaubwürdig kann ein Präsident noch sein, der in regelmäßigen Abständen mit seiner Kündigung kokettiert, dem von Beobachtern der Rücktritt empfohlen wird und der dann doch bleibt?“

Ludger Schulze (SZ) pflichtet bei:

„Das Vertrauen in den Präsidenten ist weitgehend erschüttert, Zwanziger hat seine Glaubwürdigkeit nicht nur im Fall Amerell durch Rechthaberei, Autoritätsgehabe, Unbelehrbarkeit und Ehrpusseligkeit selbst untergraben. Wer sich ihm in den Weg stellt, den rennt Theo Zwanziger wie ein wilder Stier über den Haufen. Weil er zuletzt präsidiale Souveränität vermissen ließ und sich stattdessen wie ein Berserker auf seine jeweiligen Gegner warf, hat der Ruf des vormaligen Gutmenschen von Altendiez gehörig gelitten. Und damit auch das öffentliche Bild des gesamten Verbandes, der bislang auch aufgrund seiner breit gefächerten sozialen Tätigkeit als moralische Instanz und Autorität im Lande galt. Das ist erst einmal vorbei, der Chef hat sich angreifbar gemacht und damit die ganze Firma.“

Herbert Fischer-Solms vom Deutschlandfunk stimmt ein:
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Michael Horeni (FAZ) notiert Verlust auf anderen Terrains:

„Auch aus den Landesverbänden, Zwanzigers Machtbasis, sind keine Solidaritätsadressen zu vernehmen. Anders als noch in vorangegangenen Fällen, bei denen Zwanziger mit Rücktritt drohte, kann der Präsident auch nicht mehr auf Unterstützung von ‚höchsten politischen Kreisen‘ verweisen. Die goldenen Zwanziger-Jahre jedenfalls sind vorbei.“

Schiedsrichterboss Volker Roth, dessen Rückzug ohnehin für Oktober vorgesehen ist, soll auf einem außerplanmäßigen Bundestag am 9. April zum Rücktritt gedrängt werden. „Es wäre gut, wenn es nicht zu einem unrühmlichen Ende kommt“, sagt Rauball. „Die Vorgabe lautet“, schreibt die FR, „sowohl für Fandel als auch für Zwanziger: bloß nicht zu viel Machtfülle in einer einzigen Person.“

Herbert Fandel ist der Hoffnungsträger für das Schiedsrichterwesen, er hat seine Ideen vorgetragen. Doch „auch Fandels Reformbestrebungen wurden nicht kritiklos gewürdigt. Er möchte allem Anschein nach noch unabhängiger agieren als Roth. Das wollen die Präsidiumsmitglieder so nicht durchwinken“, schreibt die FR, die Fandel am Freitag portraitiert hat.

Ich kann nicht sagen, was von dem Funktionär Fandel zu erwarten ist. Als Schiedsrichter fand ich ihn typisch deutsch. Im Mittelfeld den King machen und jeden Freistoß pfeifen, aber im und um den Strafraum mit einem zweiten Maß messen. Eine Abkehr vom Fandelismus, also großzügigere Spielleitung, wäre, da bin ich ganz Felix Magath, ein guter Schritt für die Bundesliga.

Einen aufschlussreichen Text hat (schon wieder) die FR über das „System Amerell“ verfasst. Manfred Amerell habe „brutal Macht ausgeübt“, sagt ein Insider, und „ein System geschaffen, von dem seine Lieblinge profitiert hätten“. Zudem erfahren wir, dass Stefan Trautmann, der im Jahr 2001 der Unterschriftenfälscher und Quittungsmanipulant überführt wurde und der später unzulässigerweise Sachen im Internet versteigerte, heute noch immer als Assistent in der Zweiten Liga und Vierter Mann in der Bundesliga aktiv sei.

Die juristische Auseinandersetzung wird sicher dauern und noch einiges ans Licht bringen. An Einblicken ins Innenleben des DFB, aber vermutlich auch in Intimes. Lies Amerell in der Augsburger Allgemeinen: „Ich habe zum Freund meiner Tochter gesagt, er muss unbedingt die Festplatte meines alten Computers knacken. Da könnten noch Nachrichten von Kempter drauf sein, aber eigentlich hatte ich alle gelöscht. Das ging dann aber schneller als gedacht. Ich hatte die Dateien lediglich in meinen Papierkorb geschoben, den aber nicht geleert. Manchmal ist es eben auch besser, wenn man technisch nicht allzu viel drauf hat.“

Einen feinen User-Kommentar hab ich auf Zeit Online gefunden, dort schreibt bengel 2: „Ich finde es ja schon lustig, dass die ‚Qualitätsjournalisten‘, die inzwischen auch zum Halali auf Herrn Zwanziger blasen, seinerzeit nahezu ausnahmslos Herrn Weinreich im Regen haben stehen lassen. Obwohl er eigentlich für ihre Sache kämpfte. Heute wird die damalige Konfrontation gerne mit herangezogen, um argumentativ gegen Herrn Zwanziger zu punkten. Das ist arm.“

Huch! Ein Fundstück aus dem Archiv. Findet jemand den Link zu dem viel zitierten Interview des Juristen Johannes Eisenberg, der der Berliner Zeitung am Freitag (?) Auskunft über seine Meinung zu Zwanziger und dem DFB erteilt hat?

4 Kommentare

  1. Dudarfsthiernitrein schrieb am 14. März 2010:

    You don’t have permission to access /berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0909/sport/0019/index.html on this server.

  2. matsch schrieb am 15. März 2010:

    Die für alle Beteiligten inklusive Amerell überraschend doch noch rekonstruierten Mails ergeben eine einleuchtende Erklärung, wieso Monaco Wack plötzlich die Bühne betritt und auch ebenso schnell wieder verschwindet. Geschockt über das überraschende Auftauchen der verfänglichen Mails, wird Monaco Franz, mit Amerells Frau gut bis sehr gut bekannt (Spatzerl), vorgeschickt zur mitternächtlichen Überrumpelungsaktion. Die Aktion war nichts anderes als ein aus der Not geborener dilettantisch in Szene gesetzter Bluff.
    Amerells Frau berichtete ja, dass Wack plötzlich sehr einsilbig wurde und fluchtartig das Augsburger Hotel verließ als unerwartet Amerells Anwalt hinzukam.

  3. JK schrieb am 15. März 2010:

    Sie bluffen doch, Monaco Wack!

  4. ts66 schrieb am 15. März 2010:

    Die FAZ sagt: Zwanziger lässt nicht locker.
    Siehe:
    http://www.faz.net/s/RubFB1F9CD53135470AA600A7D04B278528/Doc~E040A78C869BB4CBEA956A5897626F098~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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