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Ich fühle mich beraubt, missverstanden, verunglimpft. Das Video-Portal für Amateurfußballer hartplatzhelden.de, das ich vor rund zwei Jahren mit meinen zwei Freunden Steffen Wenzel und Thomas Ramge ins Leben gerufen habe, steht vor dem Aus, weil ein Fußballverband aus Württemberg (WFV) seine „Vermarktungsrechte“ verletzt sieht, sich nicht zu schade ist, auf Unterlassung zu klagen und tatsächlich einen Richter gefunden hat, der dieser Auffassung entspricht. Unsere User aus dieser Region sind entsprechend empört, bekommen sie schließlich nun von ihrem Verband verboten, mit ihren Clips Marke Eigenbau zu machen, was sie wollen.

Wohlgemerkt, es geht hier um Kreisliga- und Jugendspiele; wer einmal die verwackelten, also im charmantesten Sinne amateurhaften Aufnahmen von den sensationellen Toren, kuriosen Stolperern und spektakulären Paraden von Deutschlands Hart- und Tennenplätzen bei uns gesehen hat, kann die Klage der Funktionäre nur als Posse betrachten.

Die Sache hat einen rechtlichen und einen, sagen wir, kulturellen Aspekt. Zur rechtlichen: Wir, und da darf ich als Fußballvereinsmensch aus Erfahrung sprechen, widersprechen dem WFV, dass ein Verband der Veranstalter eines Fußballspiels ist. Unseren Rasen (also den des RSV Büblingshausen) hat noch kein Verantwortlicher des Hessischen Fußballverbands gemäht; unsere Umkleidekabinen machen wir noch selbst sauber; die Schiedsrichter und unsere Übungsleiter zahlt die Vereinskasse und so weiter und so fort. Das, wenn man so will, unternehmerische und finanzielle Risiko eines Fußballspiels übernimmt der gastgebende Verein. Zweifellos trägt ein Verband zur Organisation des Spielbetriebs bei: Spielkalender, Schiedsrichterausbildung und Rechtssprechung (wer einmal einer Verhandlung vor einem Sportgericht beigewohnt hat, wird die Bezeichnung „Komödienstadl“ als freundlich empfinden). Aber dies kann man allenfalls als Vorleistung auffassen, die darüber hinaus durch die Mitgliedsbeiträge der Vereine an die Verbände als abgegolten bezeichnet werden dürften. Keine Rede also davon, dass wir die Leistungen der Verbände schnorren, wie die Klageschrift uns vorwirft.

Schon gar nicht sind die Videoaufnahmen als Leistungen des Verbands zu begreifen. Es ist großer Aufwand, die Kamera mit auf den Sportplatz zu schleppen, neunzig Minuten zu filmen und das Material dann in Kleinarbeit zu schneiden. Das ist die Leistung der User. Gerade auch deshalb sollte es ihnen überlassen bleiben, wo sie ihre Clips hochladen. Da befürworten wir die Prinzipien Freiwilligkeit und Pluralismus.

Tritt ein Amateur- oder Jugendspieler (also Hobbyspieler) seine Bildrechte ab, wenn er einen Fußballplatz betritt? Wie wäre ein solcher Verband zu nennen, der das von seinen unbezahlten Mitgliedern verlangt? Kann man einem Vater verbieten, seinen Sohn beim Fußball zu filmen? Der Fall läge übrigens anders, wenn ein Spieler auf uns zukommen und fordern würde, wir sollten ein Video löschen, in dem er zu sehen ist. Das wäre für uns in erster Linie eine Stilfrage, weniger eine Rechtsfrage. Aber unsere bisherige Erfahrung lehrt uns: Spieler und Vereine wollen sich im Internet sehen und darstellen.

Zum kulturellen: Amateurfußball, besonders in den unteren Ligen, lebt in erster Linie vom Ehrenamt. Hier überhaupt von „Vermarktungsrechten“ und „Sendelizenzen“ zu sprechen, widerstrebt mir. „Hartplatzhelden“, behauptet WFV-Präsident Herbert Rösch vor der Kamera, „haben nichts zu tun mit dem Amateurfußball, das ist ein privates Unternehmen.“ Was uns hier polemisch unterstellt wird: Profitorientierung, Abzockerei, Nutznießertum. Ich bin seit drei Jahrzehnten als Spieler, Trainer (oder die Kombination aus beidem) auf mittelhessischen Bolzplätzen aktiv. Nichts zu tun mit dem Amateurfußball!?! Frechheit!

Rösch spricht außerdem von einem „Produkt, das der WFV erbringt“. Wie bitte? Ein Produkt?! Das ist ja interessant zu erfahren, dass ein gemeinnütziger und steuerbegünstigter Verband von sich behauptet, er erzeuge ein Produkt. Die Rhetorik des Verbands ist verräterisch.

Der Amateurfußball taucht immer nur dann in den überregionalen Schlagzeilen auf, wenn es um Rassismus, Antisemitismus oder Gewalt geht. Dem entgegenzusteuern und die rauen, schönen Seiten meines Sports zu betonen – das war die Idee von hartplatzhelden.de (die der DFB so gut fand, dass er sie auf seiner Website übernommen hat). Und ja, es wäre schön, wenn wir von dieser Idee irgendwann mal leben könnten, gerne auch gut leben, und wer will, darf mir Geld auf mein Konto überweisen. Ich würde mich nicht wehren. Diese Diskussion, ob wir damit Geld verdienen wollen, ist so schrecklich deutsch. Jeder Würstchenbudenbesitzer ist gewinnzielorientiert.

Ich habe neulich einen Verantwortlichen der Gegenseite persönlich kennen gelernt, der mir nicht unsympathisch war. Eigentlich finde er hartplatzhelden.de gut, gibt er hinter vorgehaltener Hand zu, und er wisse, dass es dem Amateurfußball diene. Doch empört er sich darüber, dass sein Verband so scharf kritisiert wird. Die Presse fasst sich in der Tat einhellig an den Kopf: „Dem gesunden Menschenverstand“, heißt es in der FAZ, „muss schon die Klage als ein Funktionärsgrößenwahn ersten Ranges erscheinen.“ Auch haben wir sehr viele Mails und sogar Briefe erhalten, die uns unterstützen: „Es gibt solche, die machen und solche, die kaputtmachen“, stöhnt ein User. Ein anderer stellt klar: „Es geht hier nicht um irgendwelche Rechtsformen. Es geht schlicht und ergreifend um das liebe Geld.“ So lauten die druckreifen Zitate. Wie meine russischen Mitspieler auf das Ansinnen des Verbands reagieren, kann und darf ich hier nicht wiedergeben.

Immerhin war ich jetzt mal in den Tagesthemen.


Das ist das Hartplatzhelden-Tor des Jahres 2007: ein schulmäßiger Kopfball von Marcel Bernier vom Lüneburger SK nach einer sensationellen Vorlage von Hendrik Helmke.

8 Kommentare

  1. nedfuller schrieb am 22. Juli 2008:

    Recht haben und Recht bekommen waren immer schon zwei unterschiedliche Paar Schuhe!

    Nicht aufgeben, bitte!

  2. Henry82 schrieb am 22. Juli 2008:

    Ich war gerade auf der WFV-Homepage und habe dort keinen Artikel über Verletzungen der Vermarktungsrechte des WFVs durch die Hartplatzhelden gefunden. Das war schon sehr verwunderlich, da die Homepage meiner Meinung nach ansonsten über sehr viele Neuigkeiten berichtet. Auch das Archiv brachte nichts hervor.
    Obwohl die Verantwortlichen des WFV Recht bekommen haben, versuchen sie keine große Sache davon zu machen, weil sie, auf ihrem (oder besser gesagt dem allgemeinen)gesunden Menschenverstand basierend, einsehen müssen (und auch sicherlich schon eingeshene haben), dass sie sich nicht im Recht befinden.
    Das Totschweigen vermittelt eine sehr aussagekräftige Symbolik eines Verbandes: Engstirnigkeit an Stelle von Kompromissbereitschaft zu stellen, und das in einer Angelegenheit, in der es eigentlich nur um eine Bagatelle ging.
    Leider haben Sie auf der Homepage auch kein Gästebuch, in dem der „gemeine“ Internetuser sie damit konfrontieren könnte. Schade aber auch…

    Pro Herrn Fritsch und seine Hartplatzhelden!!!
    Bitte geben Sie nicht auf!

  3. Rob schrieb am 23. Juli 2008:

    Mir ist das nicht ganz klar wie die Oranisation des Spielbetriebs einen Anspruch auf die Bildrechte an den Spielen begründen kann. Müßte da nicht irgendeine Form von Abtretung der Rechte vom Spieler an den Verband erfolgt sein?
    Könnte mir vorstellen dass die etwas qualifizierteren Richter des BGH den Sachverhalt anders bewerten. Hoffe sie können das durchziehen, ist ja leider nicht ganz billig.

  4. NummerNeunzehn schrieb am 23. Juli 2008:

    Ach herrjeh, es ist schon ein Kreuz. Ich verfolge die Ereignisse um Hartplatzhelden.de nun schon seit geraumer Zeit und muss sagen, dass die Argumentationsweise des WFV mir schon gehörig gegen den Strich geht. Ich schließe mich dabei der in den meisten Qualitätszeitungen vertretenen Ansicht an, dass die Klage wohl eher aus Kontrollsucht und Ärger eine gute Idee nicht selbst umgesetzt zu haben resultiert, als dass sie auf mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbaren Gründen beruht. Ich hoffe, dass in einer höheren Instanz vielleicht anders entschieden wird. Verständnis hätte ich aber auch, wenn Herr Fritsch und Co. diesen Marsch durch die Instanzen aus zeitlichen und/oder finanziellen Gründen nicht weiter gehen können. Bis dahin erfreue ich mich weiterhin an der Seite „Hartplatzhelden“. Mein persönliches Highlight war die Halbzeitansprache von O. Fritsch im Spiel gegen meinen Ex-Verein SG Dutenhofen/Münchholzhausen.

  5. Imaginary Animals » Seitenblick (23.07.2008) schrieb am 24. Juli 2008:

    […] direkter freistoß: Funktionärsgrößenwahn ersten Rangeswww.direkter-freistoss.d… […]

  6. Oliver Fritsch schrieb am 24. Juli 2008:

    Yeah, NummerNeunzehn! Und vor vier Tagen hat der RSV wieder gegen Dutenhofen/münchholzhausen gewonnen. Diesmal aber ohne Video …

  7. Honktonk schrieb am 26. Juli 2008:

    Sin halt Schwowwe, was willsch da erwadde …

  8. Oliver Fritsch schrieb am 26. Juli 2008:

    Hier hat kürzlich ein User in der Kommentarspalte die E-Mail-Adresse des WFV-Justitiars veröffentlicht. Ich hab diesen Eintrag auf Wunsch des Justitiars gelöscht.

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