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„Der kranke Sport“ lautet heute die Überschrift eines Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, in dem sich Thomas Kistner mit der Frage beschäftigt, was der Tod Robert Enkes über den Sportbetrieb im allgemeinen aussagt. Die Krankheits-Metapher halte ich im Zusammenhang mit Sport ohnehin für sehr fragwürdig, bedenklich finde ich an diesem Text aber vor allem eine Passage, in der es um Symptome geht, die Kistner zu erkennen glaubt:

Speziell im Fußball lassen sich zunehmend Verhaltensweisen beobachten, die daneben sind. Sichtbar wird in der Regel nur eine Variante von Psychoproblemen, die manisch-aggressive …

Als Beispiel für solche „Psychoprobleme“ erwähnt der Kollege das „Kopfabschneider-Zeichen“ eines „Zweitligatorschützen“. Gemeint ist die Torjubelaktion des St. Paulianers Deniz Naki beim Spiel in Rostock. Wenn ein 20-jähriger Kicker, dessen Eltern Türken sind, auf rassistische Beschimpfungen und eine allgemein hasserfüllte Atmosphäre im Stadion mit einer emotionalen, spontanen Geste reagiert, hat er keineswegs ein „Psychoproblem“. Dass es – noch – Spieler gibt, die in solchen Situationen auf menschlich verständliche Weise reagieren, ist erfreulich (ich hätte mir auch eine subtilere Geste gewünscht, aber das ist nebensächlich). Dass der Fußballbetrieb – aufgehetzt von den Jagd- und Schäferhunden des Sportjournalismus – so etwas mit absurden Sanktionen bestraft, ist das Problem. Im übrigen sind es ja genau diese Jagd- und Schäferhunde, die den „Konformitätsdruck“ (Rob Alef) miterzeugen, der Robert Enke dazu veranlasst hat, seine Krankheit geheim zu halten. Letztlich läuft es wohl darauf hinaus, dass ich mir einen anderen Sport wünsche als Thomas Kistner.

3 Kommentare

  1. Jekylla schrieb am 13. November 2009:

    Selbst wikipedia kennt eindeutig un-manisch-aggressive Varianten der Deutung der „Kopf ab“-Gestik.
    So einen Blödsinn habe ich lange nicht mehr gelesen wie in der SZ. Doch, in dem Blatt, dass das als „schlimmste Entgleisung in der Geschichte des Bundesligafussballs“ bezeichnet hat.

    Man sollte sich jetzt nach Robert Enkes tragischem Freitod lieber mit den echten Problemen im Bundesligafussball beschäftigen. Aber auch da wird es wie immer bei viel Gelaber bleiben.

  2. Rudolf schrieb am 15. November 2009:

    @1: Ja, es gibt viel Gelaber. Dennoch glaube ich schon, dass viele der Leute die etwas zu entscheiden haben (und es deswegen nicht nötig haben sich im Fernsehen mit Blubbern aufzuspielen) die Zeichen der Zeit erkennen. Ich rede von den Trainern und Managern der Vereine, von den medizinischen Bereichen usw. Aus den Richtungen kamen bisher die überlegteste und sinnvollsten Beiträge, sehr selbstkritisch und daher nicht so fernsehtauglich.

  3. Jekylla schrieb am 24. November 2009:

    @Rudolf: Das hoffe ich sehr, dass die Arbeit im Hintergrund dann quasi in den Vordergrund tritt. Diese Selbstbeweihräucherer ohne jeglichen Effekt hab ich langsam wirklich über.

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