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Oliver Fritsch Von 11 auf 9?

von Oliver Fritsch

DFB-Präsident Theo Zwanziger schlägt vor, die Spieler in den Kreisligen von 11 auf 9 zu reduzieren. Der Grund für seinen (man muss ihn, weil er vom DFB kommt, so nennen) revolutionären Vorstoß sei der stetige Rückgang der Mannschaften: Etwa zehn Prozent Verlust an gemeldeten Teams sind in den letzten Jahren zu beklagen. Stephan Brause, Mitarbeiter der Direktion Kommunikation beim DFB, bestätigt am Telefon: „Um dem demographischen Wandel gerecht zu werden und den Spielbetrieb in den unteren Ligen aufrechtzuerhalten, steht ein Bündel von Maßnahmen zur Diskussion – darunter auch eine Verringerung der Spieler.“ Doch es handle sich nicht um einen konkreten Plan, sondern allenfalls um einen Vorschlag zum Meinungsaustausch. Das klingt nach einem Schritt zurück, denn Zwanziger hat seine Idee dem kicker sehr entschlossen offenbart. Die Reaktionen der Vereine seien bisher „gemischt“, gesteht Brause.

Der Gedanke, auf dem Fußballfeld mehr Platz zu schaffen, kursiert in kleinen Expertenzirkeln in der Tat schon seit längerem, aber aus einem anderen Grund. Christian Eichler, Sportredakteur der FAZ und Autor verschiedener Fußballbücher (etwa des legendären Lexikons der Fußballmythen), befürwortet prinzipiell die Verkleinerung von Teams. Am Telefon sagt er: „Der Fußball erstickt. Man denke an die K.o.-Runde der letzten WM: Die Spiele waren bis auf wenige Ausnahmen entsetzlich langweilig, inklusive des Finals; eine der wenigen Ausnahmen war das Halbfinale zwischen Deutschland und Italien.“ Die Athletik der Fußballprofis habe sich in den letzten Jahrzehnten derart verbessert, dass das Spiel zwangsläufig stocke. Entweder, fordert Eichler, müsse man die Spielfelder vergrößern oder es dürften nicht mehr so viele mitspielen: „Die Regeln sind anderthalb Jahrhunderte alt, sie werden dem heutigen Spiel nicht mehr gerecht. Es muss mehr Raum her!“ Der holländische Nationaltrainer Marco van Basten wird häufig mit ähnlichen Bemerkungen über den Spielstillstand zitiert.

Warum also nicht mal ein Experiment? Im Rugby habe eine ähnliche Maßnahme gefruchtet, sagt Eichler. Im Rugby gibt es eine Variante, die mit 7 Spielern statt mit 15 oder 13 und in kürzerer Spielzeit von statten geht. Aus diesen Regeländerungen resultierten die besten und spannendsten Spiele, hebt Eichler hervor. Doch die Notwendigkeit dieser Reform bestehe nun mal ausschließlich im Profifußball; keine C-Liga-Mannschaft der Welt habe die Kondition, die für den Laufaufwand nötig ist, den Raum neunzig Minuten zu verengen. Allenfalls biete sich die Kreisliga als Experimentierfeld an.

Ist die Not in den unteren Ligen wirklich so groß, dass wir die 11er-Tradition über Bord werfen sollten? Andererseits, warum nicht mal was Neues wagen? Oder spielte dann die Kreisliga ein anderes Spiel als der Rest Fußballdeutschlands?

Kürzlich gab es einen Prozess vor dem Sportgericht, weil eine 17-jährige Schiedsrichterin bei einem Kreisliga-Spiel im inzwischen berüchtigten Kreis Siegen-Wittgenstein von Zuschauern anhaltend und anhaltend böse beschimpft worden ist. Das ist für uns ein rechter Anlass, um über Sitten und Sittenregeln von Zuschauern zu diskutieren. Klar ist: Der Fußballplatz ist keine Klosterschule, man soll an der Barriere und auf der Tribüne ruhig mal Dampf ablassen dürfen. Doch wie weit trägt folgendes Argument, das ich immer wieder höre: Die Zuschauer hätten Eintritt bezahlt, also dürften sie auch alles sagen (gemeint ist eigentlich rufen, brüllen, schreien). Kauft man sich für 3 Euro das neunzigminütige Recht, gegen die Regeln guten Anstands und ziviler Kommunikation zu verstoßen?

Übrigens, die Schiedsrichterin, die sehr talentiert gewesen sein soll, hat angekündigt, auf ihre Karriere zu verzichten und nur noch Kinderspiele zu leiten.

Man sollte mal überlegen, ob man den Platzverweis im Fußball in der jetzigen Form belässt. Die bewirkt, dass die Höhe der Sanktion für das Kollektiv, nämlich die Reduzierung der Mannschaft, nicht vom Vergehen abhängt, sondern von dessen Zeitpunkt. Eine Rote Karte in der 10. Spielminute ist demnach eine andere, eine härtere Strafe als eine in der 80. Minute – unabhängig davon, ob der Spieler einen anderen boxt, am Ohr oder die Notbremse zieht. Ist es nicht gerechter, die Dauer der Reduzierung zu begrenzen, sagen wir auf zehn Minuten? Die Individualstrafe bliebe ja gleich, denn der Spieler, der des Feldes verwiesen wird, dürfte nicht mehr aufs Feld. Statt ihm aber ein anderer – also so wie es etwa im Handball und im Hallenfußball gehandhabt wird.

Ohnehin sollten die Regelhüter die Einführung der Zeitstrafe erwägen, besser: die Wiedereinführung, denn im Amateurfußball konnte man bis vor rund fünfzehn Jahren für zehn Minuten zum Zuschauen verbannt werden – eine brauchbare Abstufung zum Feldverweis. Das wäre zugleich ein Weg, das Spiel offener und offensiver zu gestalten – sinnvoller zumindest, als die Tore zu vergrößern. Meist, das lehrt meine Erfahrung aus dem Jugend- und Amateurfußball, fielen die Tore übrigens kurz nach Ablauf der Zeitstrafe, im scheinbar sicheren Gefühl, die Unterzahl überstanden zu haben.