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Oliver Fritsch Basisferne Fußballpolitik

von Oliver Fritsch

Dass Theo Zwanziger wohl nicht zu bremsen ist, haben die meisten bestimmt ja schon mitbekommen. Nachdem Jens Weinreich in dieser Woche eine Einstweilige Verfügung gegen den DFB erwirkt hat, hat sich Zwanziger entschlossen, die zuvor fallen gelassene Klage gegen Weinreich wieder aufzunehmen. Fürs erste mehr dazu bei Jens Weinreich hier und hier, auch bei Stefan Niggemeier hier und hier, in der Stuttgarter Zeitung und in der Süddeutschen Zeitung.

Der DFB scheint jetzt allen zu verkaufen zu wollen, dass Weinreich angebliche Gesprächsangebote ausgeschlagen habe. Unabhängig von der Frage, wer hier angesichts des juristischen Zwischenstands von 3:0 wem Gespräche anbieten und Entschuldigungen abverlangen kann – der DFB will Weinreich in die Bittstellerposition zwingen. Eine Position, in die sich ein Mann mit cojones natürlich nicht begibt. So geht also die Sache wohl wieder vor Gericht.

Lassen wir uns jedoch davon nicht ablenken und blicken auf bedenkliche, weil basisferne Entscheidungen im deutschen Fußball:

Die DFL hat am Freitag die TV-Rechte an den Bundesligen in den nächsten vier Jahren für viel Geld verkauft und Lob erhalten. Immerhin ist der Status quo gewahrt: rund 410 Millionen Euro (bislang 405) durchschnittlich pro Jahr. Was man so hört, muss DFL-Chef Christian Seifert hart verhandelt haben. Das war keineswegs selbstverständlich, denn die Umstände waren zumindest in Teilen ungünstig: 1. Das Kartellamt bestimmt in Deutschland über das Fernsehen mit. 2. Die Finanzkrise trifft auch den Profisport. 3. Dem wichtigsten Partner Premiere geht es schlecht.

Dabei wird oft übersehen, dass die DFL den Sendern ein großes Zugeständnis gemacht hat, die weitere Zersplitterung Spielpläne der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga der nächsten Saison: In der Bundesliga gibt es je ein Spiel am Samstag um 18.30 und am Sonntag um 15.30 Uhr. Das Samstagsspiel kollidiert mit der Sportschau und damit einhergehend mit den Interessen der Sponsoren, denen die Reichweite durch die Sportschau wichtig ist. Das frühe Sonntagsspiel findet nahezu zeitgleich mit vielen Amateurfußballspielen statt. Was sagt eigentlich Egidius Braun dazu, der sich als amateurfußballfreundlicher DFB-Präsident vehement für den Bundesliga-freien Sonntag einsetzte?

Und so spricht Brauns Nachfolger in der Welt am Sonntag heute über mögliche Finanzausgleiche für Amateurvereine: „Wird der Nachweis zweifelsfrei erbracht, sind für betroffene Vereine Ausgleichssysteme denkbar.“ Der Nachweis rückgängiger Zuschauerzahlen wird vielleicht gar nicht so schwer anzutreten sein. Doch ob diesen Worten jemals Taten folgen? Zwanziger gesteht immerhin: „Ich kann die Kritik am Sonntagsspiel um 15.30 Uhr nachvollziehen. Für das Miteinander zwischen Spitzen- und Breitensport muss man aber Verständnis für die andere Seite haben.“ Dieser Kampf um Zuschauer und (letztlich) Geld ist ein politisches Problem, der Amateurfußball hat im Gegensatz zu den Profis keine Stimme mit Gewicht – und wird sich daher mit wohlfeilen Reden begnügen müssen.

Doch man muss genauer sein, denn auch die Zweite Liga hat zurückzutreten, wenn es um die Maximierung von TV-Geld geht. Ab der nächsten Saison wird samstags um 13, sonntags um 13.30 Uhr angepfiffen. Für Fans ein Graus, weswegen sich viele der Initiative Kein Kick vor Zwei angeschlossen haben. Dort heißt es:

„Vor drei Jahren wurden Zweitligaspiele noch sonntags um 15 und freitags um 20 Uhr angepfiffen. Seitdem haben sich die Terminierungen rasant in Richtung Mittag entwickelt, nun sind wir schon bei 13 Uhr und 13.30 Uhr, zudem in englischen Wochen wochentags um 17.30 Uhr. Das ist für auswärtige Fans nicht mehr zu machen, wenn nicht ein erheblicher Teil des Jahresurlaubs aufgewendet wird. Und es ist zu erwarten, dass diese Änderungen, einmal in der Zweiten Liga eingeführt, im nächsten Schritt auch in der Bundesliga angewendet werden.“

Doch die Mahnungen bleiben wohl zunächst ungehört.

Anderes Beispiel, auf das mich Ingrid in den Kommentaren und einige User per Mail aufmerksam machen: Der DFB hat das Regionalliganachholspiel Altona FC gegen den 1. FC Magdeburg auf Mittwoch, den 3. Dezember, 14 Uhr verlegt, weil das Stadion „Hoheluft“ nicht über fernsehtaugliches Flutlicht verfügt. Dem AFC dürften immense Zuschauereinnahmen flöten gehen – denn welches Team bringt schon so viele Fans wie Magdeburg mit? Die Website ringfahndung.de nennt diese Entscheidung einen „Frontalangriff auf den Amateurfußball“. Wenn es den Klub trösten sollte, vielleicht schau ich am Mittwoch mal rein.

Einen guten aufklärerischen Beitrag über die basisfeindliche Fußballpolitik lesen wir von Thomas Haid in der Stuttgarter Zeitung; er nennt die Verlierer des neuen Spielplans, also alle unterhalb der Bundesliga:

„Schon die Zweite Liga leidet massiv unter dem Modell, das samstags und sonntags einen Spielbeginn um 13 Uhr und um 13.30 Uhr vorsieht – also zu einer völlig familienunfreundlichen und Sportarten-untypischen Anstoßzeit. Wahrscheinlich hätte die DFL auch einem Anpfiff um 10 Uhr zugestimmt, wenn ein Sender dafür noch mal in die Tasche gegriffen hätte. Noch härter trifft es den Amateurbereich, für den bisher der Sonntagmittag (15 Uhr) als exklusiver Spieltermin reserviert war. Nun hat die DFL diese heilige Kuh geschlachtet, obwohl viele Klubs in den niedrigeren Regionen bereits über einen Zuschauerschwund klagen und ums Überleben kämpfen.“

Weiter heißt es:

„Den Amateuren fehlt die Lobby. Der für sie zuständige DFB besitzt offensichtlich keinen Einfluss mehr bei der DFL. So hat Theo Zwanziger in den vergangenen Wochen nicht einmal richtig protestiert, um angesichts des sich abzeichnenden Szenarios die Rechte seiner Amateure zu schützen.“

Bestimmt ein vorläufiges, auf jeden Fall ein langes, doch zunächst zu den jüngsten Entwicklungen:

Theo Zwanziger hat sueddeutsche.de ein Interview gegeben, in dem er erstens erläutert, wie er die die Beanstandungen an der Pressemitteilung des DFB und die Resonanz in den Medien bewerte. Zweitens geht es darum, wieso er die Klage zurückgezogen hat. Drittens beantwortet er erneut die allgemeine Frage, warum er überhaupt juristisch vorging. Gleichzeitig hat DFB-Vizepräsident Rainer Koch E-Mails mit dem Journalisten Stefan Niggemeier getauscht und zum gleichen Sachverhalt Stellung genommen.

Die Aussagen enthalten Widersprüchliches, Zwanziger antwortet auf die Frage nach dem Grund für den Rückzug der Klage:

„Ich habe gesagt, die Sache hat sich erledigt, als mich Rainer Koch auf eine Internetdarstellung von Herrn Weinreich aufmerksam machte, aus der hervorging, dass er mit dem Begriff ‚Demagoge’ nicht das gleiche Verständnis wie ich hatte. Und dies hat dann sein Anwalt uns gegenüber nochmals klargestellt. Damit war für mich der Vorgang beendet.”

Koch hingegen mailt:

„Der DFB war bemüht, die Auseinandersetzung in einer beide Seiten zufrieden stellenden Weise zu beenden. Das sollte aus Sicht des DFB aber nicht durch ergänzende oder klarstellende Blogeinträge, sondern durch ein persönliches Schreiben von Herrn Weinreich erfolgen.”

Der Versuch, Weinreich eine Entschuldigung in die Schuhe zu schieben, dürfte misslingen.

Seltsam auch die Antwort Zwanzigers auf die Frage, warum die Pressemitteilung die beiden Instanzen übergeht: „Wir haben nie verschwiegen, dass es einstweilige Verfügungen gab.“ Nein? „Diese Tatsache war doch ohnehin durch die ausführliche Dokumentation von Herrn Weinreich bekannt.“

Niggemeier schließt aus dieser Argumentation:

„Als ein Indiz dafür, wie heillos sich der DFB (…) verstrickt hat, kann man die Widersprüche festhalten, was Blogs angeht: Wenn jemand in einem Blog etwas äußert, das Herr Zwanziger als ehrenrühig ansieht, handelt es sich um eine öffentliche Stellungnahme, gegen die man mit aller Härte vorgehen muss. Wenn jemand in einem Blog mögliche Missverständnisse ausräumt, handelt es sich aber um nicht ernst zu nehmendes Zeug, das jenseits einer ‚Internetcommunity’ niemand zur Kenntnis nimmt?“

Auffällig ist auch eine Stelle, die man als Distanzierung Zwanzigers von der Pressemitteilung lesen kann – nicht vom Inhalt, aber von der Autorschaft:

„Der DFB hat einen Präsidenten, und die Kollegen des DFB halten die Beurteilung, die über mich in dem Blog verfasst wurde, für absolut ungerecht, unabhängig, ob sie von der Meinungsfreiheit gedeckt ist oder nicht. Für dieses Zeichen der Solidarität war und bin ich dankbar.“

Unabhängig von diesen jüngsten Aussagen gibt es einige Aspekte, die es, mit etwas Abstand und abgekühlter Temperatur, neu zu beleuchten gilt, Positionen, die zu prüfen sind, Argumente, die neu gewichtet und Lehren, die beherzigt werden sollten sowie Themen, die man künftig begleiten muss:

1. Die Kritiker sollten sich nicht zu lange an der „Kommunikationsherrschaft“ (Zwanziger) reiben, zumindest das Wort nicht zu genau nehmen. Der Begriff ist bezeichnend, aber nicht verräterisch. Bezeichnend, weil er mangelnde Sensibilität mit Sprache belegt. Verräterisch nicht, denn das neue Politbüro ist der DFB nun auch wieder nicht, will er auch nicht sein. Sagen wir mal so: Funktionäre haben gerne das letzte Wort (eine Eigenschaft, die uns Journalisten, hüstel, nicht unbedingt unbekannt vorkommen sollte).

Herrschaft ist eine, gelinde gesagt, ungeschickte Vokabel, und sie drückt das Gegenteil dessen aus, was Zwanziger mit ihr definieren und erreichen will, nämlich glaubwürdig aufzutreten. Da muss Zwanzigers Redenschreiber noch mal ran. Klar ist daher aber auch: Wer so mit Sprache fuhrwerkt, dem sollte man bei der Deutung von Wörtern misstrauen. Im Fall „Demagoge“ hat das Berliner Kammergericht dies beherzigt. Man muss dabei nicht, wie Zwanziger, an Goebbels denken.

2. Ob man Fußballfunktionäre Demagogen nennen sollte (man könnte auch fragen, ob sie das Zeug zum Demagogen haben), ist zu bezweifeln. Auch deswegen, weil es Polemik ist. In erster Linie aber, weil dieses Etikett selten zutrifft. Ein Demagoge verführt die Massen und bringt sie auf seine Seite. Das muss man in diesem Fall als gescheitert betrachten. Es ist nicht voreilig, in der publizistischen Wertung von einem Sieg Weinreichs zu reden. Die Pressemitteilung des DFB hat ihre beabsichtigte Wirkung verfehlt: argumentativ wurde sie nur ausnahmsweise verwendet. Ich hatte mit besserem Gehorsam der Presse gerechnet.

Das Spiel zwischen Medien und Mächtigen ist ein Kampf um Meinung und Mehrheit; oft werden die Ellenbogen dabei ausgefahren. Und dabei, dies erfahre ich immer wieder (etwa hier), ob auf höchster oder auf unterster Ebene, machen es sich Funktionäre oft zu einfach. Mit Argumenten braucht man vielen nicht kommen, mit Widerspruch auch nicht. Jüngst habe ich den Vortrag eines hochrangigen Verbandsmenschen erlebt, der eher auf die Lautstärke setzte als auf Überzeugung. Nur ein paar Minuten haben gefehlt, und er hätte den Saal leer geredet. Demagogie geht anders.

3. Zwanziger behauptet in dem Interview, es handle sich bei der Zurückweisung der einstweiligen Verfügung nicht um ein juristisches Urteil, denn es habe ja nicht mal eine mündliche Verhandlung gegeben: „Wir hatten einstweilige Verfügungsverfahren. Das sind vorläufige Verfahren, die sich nicht mit dem Gesamtsachverhalt ausreichend beschäftigt haben. Dafür sind Hauptsacheverfahren zuständig, ein Urteil ergeht dann nur nach Klage und einer mündlichen Verhandlung. Folglich haben wir bisher kein Urteil, sondern eine vorläufige Beurteilung.“

In der Tat gilt es, die rechtliche Seite genauer beleuchten als bisher getan. Was ist der Unterschied zwischen einem Richterspruch über eine einstweilige Verfügung oder dem über eine Klage? Aber egal ob Klage oder Verfügung – die juristische Niederlage kann Zwanziger nicht wegreden. Und wie ist das mit Zwanzigers beabsichtigtem Gang in seine Heimat Koblenz? Unüblich ist der „fliegende Gerichtsstand“ nicht, verboten ist er auch nicht. Ob Zwanziger einen Vorteil davon getragen hätte, kann man nicht sagen. Komisch aussehen tat die „Operation Deutsches Eck“ (User Graffiti). Mit fußballjuristischen Auswärtsspielen bin ich, wie Sie vielleicht wissen, nicht unerfahren.

Nachdem ich dies notiere, lese ich auf dem sportmedienblog:

„Wenn man nun mit seinem Begehren auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Pauken und Trompeten in zwei Instanzen abblitzt, gibt es zwei mögliche Schlussfolgerungen: Entweder der Rechtsbeistand hat richtig geschlampt (was ich jetzt mal nicht vermute) oder die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sind richtig mies. (…) Warum kann Theo Zwanziger nicht eingestehen, dass er sich in dieser Angelegenheit einfach mal geirrt hat?“

4. Zur Rolle des Gießener Anzeigers: Der Chefredakteur wird vom DFB zitiert, dass er die Berichterstattung seiner Zeitung bedauere, sich sogar entschuldige. Ich habe ihn per Mail gefragt, was genau er bedauert und ob er sich mit seinem Bedauern nicht gegen seine Redaktion stellt? Erhalten habe ich dieselbe Antwort wie Stefan Niggemeier:

„Ich habe nicht unsere Berichterstattung bedauert, sondern dass durch diese ein unzutreffender Eindruck über den Besuch von Herrn Dr. Zwanziger bei unserer gelungenen Podiumsdiskussion entstehen konnte.“

Er bedauert also die Folge der Arbeit seiner Redakteure, die ja nichts anderes als ihren Job gemacht haben. Doch welche Folge? Dass sie zur Wahrheitsfindung beigetragen haben – und das in einem offenbar wichtigen und offenen Rechtsfall? Ich habe ihn auch gefragt, ob er sich in der DFB-Pressemitteilung falsch wiedergegeben fühlt, wozu er ja allen Grund hat (auch erneut durch das Zwanziger-Aussage auf sueddeutsche.de). Keine Antwort.

Ob der vom DFB Instrumentalisierte jetzt sein Bedauern bedauert? Unter der Devise eines jeden Chefredakteurs, nämlich dass er mit Leib und Leben seine Redaktion schützt, stell ich mir was anderes vor. Was anderes als Bedauern über Ärger, den man mit wahrheitsgetreuem Journalismus auslöst. Als Fazit übernehme ich den Gag meines Mitarbeiters G. Gösebrecht: Der Chefredakteur des Gießener Anzeigers erschien in diesem Rennen wie ein scheues Reh im Scheinwerferkegel.

5. Dass Zwanziger in Gießen das verbotene Wort in den Mund genommen hat, könnte, entgegen dem Wirrwarr der jüngsten Verlautbarungen, der wahre Grund dafür sein, die Klage zurückzuziehen. Dass es einen anderen gibt, nämlich Weinreichs vermeintliche Entschuldigung per Anwaltsschreiben, ist unwahrscheinlich. Und dass Zwanziger sich nicht mehr daran erinnern will („Ich glaube nicht, dass ich das gesagt habe“), was er in Gießen von sich gegeben hat, mag glauben, wer seine Hosen mit der Kneifzange anzieht. Dass er anonyme Zeugen in seinem Sinne aufführt, überzeugt wenig. Wer die Vorgeschichte Rechtsstreit nicht kennt (wer liest schon Blogs? in Gießen!), überhört so was schon mal. Man könnte Zwanzigers Argument gegen ihn wenden, nach dem Motto: Das Wort ist so harmlos, dass es dem unvorbereiteten Zuhörer schon mal entgehen kann. Zwanziger baut sogar vor: „Weil ich nicht sicher war, habe ich den Moderator angerufen, weil es ja sein konnte, dass ich einen Menschen verletzt habe. Und das will ich nicht.“ Ein Nein klingt anders.

Auch ich habe den Moderator angerufen. Zwei Mal. Und er fühlt sich tatsächlich nicht verletzt, schwört aber Stein und Bein, dass die bedauerte Berichterstattung des Gießener Anzeigers der Wahrheit entspreche. In meiner Zeitungslektüre der vorigen Woche bin ich übrigens drei Mal auf „Demagogie/demagogisch“ gestoßen; ein Nazi-Vergleich ist dabei nie angestrebt worden. Auf der anderen Seite muss man jedem zugestehen, dass er sich von diesem Wort getroffen fühlt. Letztlich darf man aber einfach mal festhalten, dass es, unabhängig von Gründen, gutzuheißen ist, dass der DFB die Klage fallen lässt.

6. Ich habe mehrfach behauptet, der DFB wolle einen seiner Kritiker einschüchtern. Das entspricht zwar auf den ersten Blick der Intuition, doch wie plausibel ist dieser Vorwurf im Detail? Weinreich befasst sich selten mit dem deutschen Fußball. Seine Schwerpunkte sind Doping, das IOC, die Fifa, der DOSB. In der Klageschrift, die nun zurückgezogen ist, wird Michael Vesper als Zeuge aufgeführt, der Generaldirektor des DOSB. Klingelt’s? Nun, ist ja nur eine Denkrichtung, muss ja kein Komplott dahinter stecken. Aber DOSB-Chef Thomas Bach wird Zwanziger sicher nicht in den Arm gefallen sein.

7. Auch sollte man die Zwanzigers Kandidatur für die Uefa-Exekutive im Auge behalten. Ehrlich gesagt, verstehe ich Zwanzigers Aussage nicht genau, dass er sich dagegen sträube, es aber doch tun müsse. (Was aber nichts heißen muss, dass ich es nicht verstehe.) Nicht zuletzt ist kritisch zu begleiten, wie mit dem Amateurfußball umgesprungen wird. Vermutlich ist es kein Zufall, dass Zwanziger ausgerechnet bei diesem Thema auf dem Gießener Podium wütend geworden ist. Hat da ein getroffener Hund gebellt? Es heißt also, den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Eigentlich eine Journalistenbinse, doch im Sport nicht immer die Regel.

Stefan Niggemeier beschreibt nun treffend, wie Zwanziger sein Engagement und seinen Gutmenschenruf dazu gebraucht, um Kritik an ihm abzuwehren:

„Vieles, was sich von ihm und über ihn lesen lässt, spricht dafür, dass sein gesellschaftspolitisches Engagement tatsächlich bemerkens- und preisenswert ist – dass ein DFB-Präsident Schwulenfeindlichkeit im Fußball und überhaupt zum Thema macht, ist ein Beispiel dafür. Aber den Respekt, den er sich damit verdient, verspielt er, wenn er den Eindruck erweckt, dass es ihm gar nicht um die Sache geht, sondern darum, sich mit der Sache zu schmücken.“

Zwanziger wird heute mit dem Preis „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ geehrt.

8. Lassen wir die User zu Wort kommen! Rune schreibt in diesem Blog:

„Es wurde das Gericht bemüht, und das hat dann eine richtige Entscheidung getroffen – zugunsten des kleinen Blogs und zuungunsten des großen DFB. Alles in allem ein Musterbeispiel für eine funktionierenden Rechtstaat, der keine Interessengruppen, sondern nur das Recht kennt. Da ist kein Skandal zu sehen. Die Meinungsfreiheit schützt auch Herrn Zwanziger und der Rechtstaat gibt ihm die Möglichkeit, seine Meinung (die ich nicht verstehen kann, die er aber im Rahmen der Meinungsfreiheit gerne haben darf) zu vertreten, und sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen – selbst dann, wenn Herr Zwanziger Groß und der Blog klein sein sollte. Ein Verband ist nun mal per se Interessenvertreter und nicht zur Objektivität verpflichtet. Ob er sich mit seinem Vorgehen einen Gefallen tut, sei dahingestellt. Vergessen sollte man aber nicht: Auch die Blogs sind einseitig zugespitzt und subjektiv. Es handelt sich also um einen Meinungsaustausch, und der ist im Sinne der Meinungsfreiheit.“

Danke für diese kostenlose Lektion. Ein Hoch auf das anonyme Internet! Rückblickend würde ich manches gelassener schreiben. Es gibt aber manchmal Dinge, da platzt einem der Kragen (sowas hier). Und das Internet hat nun mal auch Live-Charakter – anders als (um das Adjektiv der Süddeutschen zu retournieren) öffentliche Zeitungen. Das hat Vorteile, das hat Nachteile. An den Nachteilen sollten wir Blogger arbeiten, aber das soll im Moment nicht mein Thema sein.

9. Doch eins darf auch Rune nicht übersehen: Nicht abzuschätzen ist natürlich, inwiefern das Vorgehen des DFB Weinreich wirtschaftlichen Schaden zufügen wird. Dass dies Absicht gewesen ist, würde ich an Zwanzigers Stelle („dieser Eindruck darf auf keinen Fall entstehen“) auch nicht zugeben. Sorgen darf sich der freie Journalist in jedem Fall machen, dürfte er schließlich in künftiger Zwanziger-Berichterstattung als Partei gelten. Auch nicht geklärt ist, welche Chancen Weinreich hätte, wenn er gegen den DFB juristisch vorginge und was er dabei gewinnen könnte. Seine Auffassung, dass er schlicht seiner Arbeit nachgekommen ist, ist jedenfalls juristisch verbrieft.

10. Auf sueddeutsche.de gibt’s eine Zusammenfassung der Sache aus Sicht eines Medienredakteurs – mit exklusiven, demagogischen Fritsch-Zitaten. Ich habe auch einige Mails empfangen. Ein Kollege einer großen Zeitung schreibt über das Zwanziger-Interview, ich hätte „Sportmediengeschichte“ geschrieben. Ein zweiter wirft mir „Hybris“, „Schaumschlägerei“ und „verletzte Eitelkeit“ vor. Mindestens einer von beiden übertreibt ein wenig. Besser gefällt mir die Zuschreibung, mein Blog sei der „Ground Zero“ des Konflikts, andere nennen den freistoss ein „Fußballfeuilleton“. Ich weiß sehr wohl, dass „Feuilletonist“ in manchen Journalistenkreisen ein Schimpfwort ist, doch ich will es mal als Kompliment verbuchen.

Weitere Links:

  • TV-Beitrag von Zapp
  • Die Stellungnahme des Europäischen Journalisten-Verbandes
  • Kai Pahls feine Glosse
  • Wer noch nicht genug hat, schaue in Weinreichs Webweiser, der viele Pressestimmen sammelt
  • Ich weiß nicht, ob alles klarer ist als vorher. Wer hier zum ersten Mal reinschaut, dem müssen doch die Ohren schlackern. Wer sich also die Chronologie dieses unübersichtlichen Falls vergegenwärtigen möchte, blicke auf die Info-Grafik von sportticker.net, den man lobenswerter Weise einbinden kann:

    Auf einen Punkt, der gut dreieinhalb Jahre zurückliegt, ist noch hinzuweisen, damit er nicht wieder vergessen wird: hier und hier.

    René Martens Der DFB und die Dead Kennedys …

    von René Martens

    … gehören ja normalerweise nicht in einen Text, aber meine erste Assoziation zu den Artikeln über die Planungen des DFB, die Fernsehgelder für die Vereine der Regionalliga radikal zu reduzieren, war der Refrain dieses Songs (in dem es selbstverständlich um etwas ganz anderes geht). Der DFB und seine Anti-Amateur-Politik – es könnte ein Dauerthema werden.

    Kennen Sie den früheren österreichischen Fußballfunktionär Leo Schidrowitz (1894-1956)? Ich kannte ihn bis vor wenigen Wochen auch nicht. Er gehört zu den interessantesten Vertretern dieser i. d. R. schlecht beleumdeten Zunft – was vielleicht auch daran liegt, dass er nebenbei u.v.a auch Verleger, Theaterkritiker und Sexualforscher war. Mehr dazu in einer Rezension der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Sportzeiten in der Jüdischen Allgemeinen.

    Oliver Fritsch Hennes am Marienplatz

    von Oliver Fritsch

    Martin Sonnleitner hat auf Zeit Online (für die ich auch schreibe) über Lukas Podolskis vermutliche Wechselabsichten geschrieben: „Podolski hat abgeschlossen mit München, das steht in seinen immer öfter verspannten Mundwinkeln geschrieben.“ Der Autor hat auch einen etwas älteren Youtube-Clip vom ewigen Kölner gefunden, den ich noch nicht kannte – was nicht verwundert, weil ich zugeben muss, dass es für mich anziehenderes gibt als Meisterfeiern des FC Bayern:

    René Martens Dr. Z. und die Amateure

    von René Martens

    Was dem undemagogischsten DFB-Präsidenten aller Zeiten und seinen Männern fürs Grobe in den letzten Tagen ja ganz nebenbei auch gelungen ist: Der Auslöser für 20 Cents Abgang bei der Diskussion in Gießen ist etwas aus dem Blick geraten. Es ging um die Frage, welche Folgen die ab der Saison 2008/09 geplanten Erst- und Zweitliga-Anstoßzeiten für den Amateurfußball haben. Wobei man vielleicht präzisieren sollte, dass unter dem Irrsinn (zweimal 2. Liga samstags um 13 Uhr, einmal 1. Liga sonntags um 15.30 Uhr) auch die Profi- und Quasiprofi- und Halbproficlubs in der 3. und 4. Liga zu leiden haben. Es ist doch offensichtlich: Unterhalb der 2. Liga wird es Einnahmeeinbußen geben, was wiederum mit sich bringt, dass Sponsoren schwerer zu gewinnen sein werden, was weitere finanzielle Probleme nach sich zieht (Weiterlesen …)

    Oliver Fritsch Dem Beispiel der Blogger folgen

    von Oliver Fritsch

    Presse- und Internetstimmen zum Fall DFB gegen Jens Weinreich

    Wolfgang Hettfleisch von der Frankfurter Rundschau schreibt: „Die Frage, die sich aufdrängt, ist, wer hier eigentlich eine Kampagne gegen wen betreibt. Zwanziger will ein Exempel statuieren. Die Größe, auch harte Kritik wie die von Weinreich auszuhalten, hat er nicht. Dass der Journalist – gerichtlich verbrieft – nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnahm, juckt ihn nicht. Dreist versucht der DFB nun, die Öffentlichkeit über die Zusammenhänge zu täuschen. Kritische Geister wie Weinreich gibt es im Sportjournalismus eine Handvoll. Sie sind unter Funktionären nicht wohlgelitten, klar. Neu ist der Versuch, sie als Hetzer zu brandmarken und so ihre Geschäftsgrundlage zu zerstören. Die Blogger, deren gewachsene Bedeutung der DFB sträflich unterschätzte, haben das erkannt (Weiterlesen …)

    René Martens Der Nächste, bitte!

    von René Martens

    Von unseresgleichen wird ja gern verlangt, dass Kritik konstruktiv sein soll. Wappnen wir uns also für den Fall, dass der Weltgeist für den Kommunikationsherrschaftstheoretiker Theo Zwanziger kurzfristig eine andere Lebensplanung vorgesehen hat: Wer käme eigentlich als sein Nachfolger auf dem Posten des DFB-Präsidenten in Frage? Hat jemand eine Idee? Könnte alles noch schlimmer werden?

    Oliver Fritsch Ich bin kein Prozesshansel

    von Oliver Fritsch

    DFB-Präsident Theo Zwanziger gibt im Interview darüber Auskunft, warum er mit juristischen Mitteln gegen einen Journalisten vorgeht, der ihn als „Demagoge“ bezeichnet hat. Außerdem über die Grenzen der Meinungsfreiheit, seine Empfindlichkeit gegenüber dem Nationalsozialismus, die WM-Stadt Sinsheim und zu harte Strafen im Amateurfußball

    direkter-freistoss: Herr Zwanziger, was halten Sie vom Internet?

    Theo Zwanziger: Das Internet spielt eine zunehmend größere Rolle. Auch für einen 63-Jährigen ist es ungemein wichtig geworden. Es ist das Medium der Zukunft, das unsere Gesellschaft verändert und weiter verändern wird. Leider kann ich auf meinem Mobiltelefon noch keine Videos abspielen. Aber auch das wird kommen.

    df: Ist es für Sie ein ernstzunehmendes Informationsmedium? Ich frage deswegen, weil der Fall, den wir heute in erster Linie besprechen wollen, im Internet angestoßen worden ist.

    Zwanziger: Ja, das ist es. Auch wenn es in diesem großen Kommunikationsnetz einen Nachteil gibt: Die Anonymität, die die Foren bieten, verführt manchmal zu unüberlegten und diffamierenden Aussagen.

    df: Sie haben den Journalisten Jens Weinreich, der Sie als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnet, auf Unterlassung verpflichten wollen – und sind per Einstweiliger Verfügung bislang in zwei Instanzen damit gescheitert. Das sieht so aus, als wollten Sie einen Kritiker mundtot machen oder einschüchtern (Weiterlesen …)

    Oliver Fritsch Schlachtfeld Deutschland

    von Oliver Fritsch

    Drei Fragen am Telefon an den Blogger und Medienexperten Kai Pahl (allesaussersport) über die Ambitionen ausländischer Sender bei den Verhandlungen um die Bundesliga-Rechte

    freistoss: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ESPN oder Murdoch Übertragungsrechte an der Bundesliga sichern?

    Kai Pahl: Die große Unbekannte ist die DFL. Auf ihre Strategie kommt es an. Wenn sie die Pay-TV-Rechte so verkauft wie immer, also komplett, dann rechne ich nicht mit ESPN oder einem anderen Konkurrenten von Premiere. Die kompletten Rechte zu kaufen wäre vermutlich ein zu großer Schritt für einen Neuling, so wie Arena vor drei Jahren. Doch wenn die DFL Einzelpakete verkaufen sollte, etwa das Samstagsspiel um 18.30 Uhr, dann könnte ich mir vorstellen, dass ESPN zuschlägt (Weiterlesen …)

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