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Jürgen Kaube Die im Dunkeln sieht man doch

von Jürgen Kaube

Zwischen Platz neun der Bundesliga, also Borussia Dortmund, und den Abstiegsplätzen liegen derzeit nur 5 Punkte. Thomas Kistner schließt daraus in der Süddeutschen Zeitung nicht nur auf die Ausgeglichenheit des hiesigen Spielbetriebs, sondern auch auf sein, im internationalen Vergleich, niedriges Niveau. Man könne wohl auch noch ein paar gute Mannschaften aus der zweiten Liga einmischen, ohne dass es auffallen würde.
Aber gibt dieser Befund wirklich etwas für jenes Urteil her? Mathematisch betrachtet nicht, denn Spielstärke und Punktabstände stehen in überhaupt keinem Zusammenhang: Auch zwischen starken Mannschaften sind die Gewinne der einen die Verluste der anderen. Darum wären auch in einer Liga, die nur aus europäischen Spitzenclubs bestünde, wenn diese gegeneinander vorzugsweise Unentschieden spielen würden, die Abstände zwischen Platz neun und sechzehn gering. Dieser fehlende Zusammenhang zwischen Stärke und Varianz ist wünschenswert, denn man genießt in der Liga wie in der einzelnen Begegnung eben beides: die Qualität und die Spannung, und dazu gehört auch, dass man nicht vom einen zwingend aufs andere schließen kann.
Empirisch betrachtet liegen allerdings tatsächlich in den notorisch starken Ligen – Spanien, England, Italien – zwischen der Mitte der Liga, dort der 10. Platz, und der Abstiegszone derzeit größere Abstände: am wenigsten deutlich noch in Spanien, wo Espanol Barcelona und Celta Vigo nur 7 Punkte trennen, 10 in Italien zwischen Genua und Messina, 14 in England zwischen Blackburn und, ach, West Ham United. Und zwischen der Tabellenspitze und dem Mittelplatz liegen in Spanien 17, in Italien 33 und in England 23 Punkte – jene 23 Punkte, die auch Schalke 04 vor Dortmund liegt.
Will man also überhaupt etwas aus solchen Daten machen, dann bestimmt keine Aussage über das Liga-Niveau. Sie zeigen nur, dass noch die schlechtesten Erstligaklubs in Deutschland nicht viel schlechter sind als der Durchschnitt. Das fußballerische Prekariat reicht bis in die Mittelschichten hinein. Ganz anders etwa in Holland, wo drei wohlgeordnete Blöcke zu beobachten sind. Vier Spitzenteams, dann 8 Punkte Abstand, und zwischen dem Dreizehnten und dem Vierzehnten wiederum 8. Und Gimnastic de Tarragona bräuchte in Spanien mindestens vier Siege in Folge, um aus der Abstiegszone zu kommen, der HSV hingegen könnte es, rein rechnerisch, schon am nächsten Spieltag schaffen.

2 Kommentare

  1. Oliver Fritsch schrieb am 12. Februar 2007:

    Lieber Herr Kaube,
    jetzt hätten wir fast unabhängig voneinander über dasselbe Thema geschrieben, doch Sie sind mir zuvorgekommen. Ihre Kritik überrascht mich nicht nicht, und ich teile sie. Ich verstehe diese – überaus gängige – Zahleninterpretation der Kollegen auch nicht und hatte mir gedacht, dass Sie, als Skeptiker der Auslegung empirischer Daten, das ähnlich empfinden. Ãœbrigens ziehen viele Kommentatoren aus konträrer Tabellen- und Punktekonstellation den gleichen Schluss: dass die Liga schwach sei. Nicht selten sind es sogar die gleichen Autoren.

  2. seven of six schrieb am 13. Februar 2007:

    Auf jeden Fall mal tiefherzigen Dank für das „ach“ vor „West Ham“ – hier fühlt man sich doch gleich zu Hause.
    Eine Liga ist ein geschlossenes System, und die systeminternen Verhältnisse sagen überhaupt nichts aus über das Verhältnis zu anderen Systemen. (Das haben andere bestimmt schon besser formuliert, ggf. mal bei den gängigen Philosophen nachschlagen). Erst wenn man einen Bezugspunkt zu anderen Systemen hat, kann eventuell etwas abgeleitet werden. Beispiel: Bayern gewinnt hähä die CL und endet in der Liga auf Platz 5, dann könnte mal ein Raunen durch die Menge gehen. Aber auch das finde ich äußerst vage.
    Mein Vorschlag, schon seit Jahren:
    ein jährlicher Europäischer Liga-Cup.
    Modus: Verband A vs. Verband B (ausgelost). Die Tabellenersten spielen gegeneinander Hin/Rück, nach bewährtem Austragungsmodus; die Zweiten, Dritten…meinetwegen bis hin zum 13./15./17., muss nur ungerade sein. (Ist natürlich abgeschaut bei Einzelsportarten wie Tennis, Boxen etc., die auch in Mannschaftswettbewerben organisiert sind).
    Welcher Verband jetzt die meisten Duelle für sich entschieden hat, gewinnt den Vergleich.
    Pro Spielrunde würden lediglich zwei Spieltage benötigt. Stattdessen kann dieser nunmehr keinen Menschen wirklich interessierenden UEFA-Cup endlich eingestampft werden.
    Da ja auch die Nationalmannschaften (siehe die unserige angenehmerweise)inzwischen kaum noch Rückschlüsse über die Stärke einer Liga bieten, gibt es sonst noch die Möglichkeit einer Liga-Auswahl.
    Wie dem auch sei (schweif ab…)- wenn ich die Möglichkeit der Zeitreise hätte oder die Fee noch treffe, ich würde sowieso zuerst mal das Bosman-Urteil kippen. Früher war zwar nicht alles besser…

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