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René Martens Gedruckter Live-Ticker

von René Martens

In einem Beitrag meines Buchs Niemand siegt am Millerntor. Die Geschichte des legendären St.-Pauli-Stadions beschäftige ich mich mit den Besonderheiten der Fußballberichterstattung in den späten 40er- und den frühen 50er-Jahren. Wer nicht im Stadion war, erfuhr seinerzeit erst beim Blick in die Tageszeitung oder das Fachblatt Näheres über die Spiele. So erklärt sich auch der protokollarische Stil der Artikel, die aus heutiger Perspektive manchmal nach gedrucktem Live-Ticker klingen. Beispiel: ein am 27. Dezember 1949 in der Wochenzeitung „Der Sport“ erschienener Beitrag. Die Headline lautete: „Weihnachtlicher Knallbonbon: FC St. Pauli schlug den HSV 2:0!“ (An eine Winterpause verschwendete damals wohl niemand einen Gedanken). Ein Autor mit dem Kürzel „Lucian“ schreibt:

„Dunkel spannte sich der Himmel über dem Millerntor. Der Platz ist nicht ganz so stark besetzt, wie es die Spannung des Ereignisses erwarten ließ. Noch eine halbe Stunde vor Kampfbeginn weden Sitz- und Stehplätze auf der Straße angeboten. Die Spielfläche befindet sich in leidlicher Vefassung, wenn auch große Wasserpfützen hier und da den Rasen decken … Mit einigen Minuten Verspätung betreten die Mannschaften den Platz. St. Pauli schwach, der HSV etwas freundlicher begrüßt … Die Spieleröffnung vollzieht sich unter gedämpften Farben. Es ist die erste Ãœberraschung, dass der HSV das Spiel nciht mir einem schneidigen Einsatz aller Kräfte beginnt, um die Entscheidung in kürzester Frist zu erzwingen … Beide Mannschaften stützten sich in ihren Angriffen bevorzugt auf den linken Flügel. Ebeling gewinnt fast jeden Zweikampf gegen Miller, oft steht er auch ungedeckt. So kommt manch gefährlicher Ball in die Mitte, aber weder Harden noch Adamkiewicz haben mit ihren Schüssen Glück. Meist gehen die Bälle knapp vorbei, kommen sie aber wirklich aufs Tor, so steht Schönbeck genau auf dem Punkt, wo er den Ball erwartet hat … So steht der Kampf bei der Pause 0:0 … Unverändert nehmen die Mannschaften die alte Aufstellung ein, obwohl für den HSV der Tausch Rohrberg – Krüger auf der Hand lag … Wieder liegt kurz nach Spielbeginn ein Treffer in der Luft. Spundflasche spielt Harden mit einer Steilvorlage frei. Es gelingt dem HSVer, auch an Dzur vorbeizukommen, aber aus kaum zehn Metern landet ein kläglicher Schuss in den Armen von Schönbeck. Auf der anderen Seite wiederholt Eccarius die gleiche Sitution. Fein läuft er mit dem Ball über das ganze Spielfeld, aber auch hier hapert es mit dem Schuss. Dem Publikum beginnt die Geduld zu reißen. Anfeuerungsrufe werden laut, und das Tempo des Spiels verschärft sich. Die Massen gehen langsam in das Lager St. Paulis über. Eine gefährliche Beck-Flanke vermag Trenkel nur zur Ecke abzuwehren. Als er aber wenig später am Ball vorbeitritt, hat Eccarius blitzschnell nachgesetzt und stößt den Ball über die Linie. 1:0 für St. Pauli.“
Mehr zu dem Thema findet sich in dem Kapitel „Die Aufregung kennt keine Flaute – Fußballberichterstattung in der Nachkriegszeit.“

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