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Eine Pressemeldung der Mediadesign Hochschule sorgte in den letzten Tagen des Countdowns zur neuen Bundesliga-Saison für ein wenig Aufregung – nach Meinung der akademischen Stilpolizei darf sich ausgerechnet Bayer Leverkusen mit dem Titel des „Trikotmeisters“ rühmen. Nun ja – einmal abgesehen von der Tatsache, „dass Bayer Leverkusen grundsätzlich nie auf Platz eins irgendeiner Rangliste steht, sondern maximal auf Platz zwei“ (Christian Zaschke in der SZ vom 7. August), sollte man dazu vielleicht doch noch ein paar Worte verlieren. (Die Trikot-Tabelle selbst und die bisweilen seltsam widersprüchlichen Begründungen für die Rangfolge sollen an dieser Stelle unkommentiert bleiben. Irritierend: obwohl die Jury-Chefin offenbar ein Faible für Rottöne hat, landet der FC Bayern abgeschlagen auf dem letzten Platz. Damit ist zumindest das „Pentupel“ (oder „5-Tupel?“) außer Reichweite).

Das Thema verfängt offenbar: bereits ein paar Tage zuvor hatte Christoph Biermann den neuen Spielkleidern ein gutes Zeugnis ausgestellt: „Bei der Trikotgestaltung der Clubs gibt es kaum noch Geschmacksvergehen.“ Das stimmt, aber man muss dabei nicht gleich von einer „Sensation“ sprechen. Die zugehörige Fotostrecke zeigt, dass in der Tat keine grobe Textilvergehen vorliegen, beweist aber auch, dass bei den Ausstattern ein Langweiler-Virus in den Design-Abteilungen grassiert. Akkurate Winkel, sehr breite Blockstreifen und große Farbflächen dominieren die Erstligamode, gerade mal die Kragenpartie dient gelegentlich als Experimentierfeld, ab und an finden sich mehr oder weniger neckisch Nähte oder Linien, die Körperpartien betonen sollen.

Und: in den Augen der Betrachter werden einige Tiefen-Dimensionen des Trikotdesigns vergessen, allein die Oberfläche bestimmt die Bewertung. Eine etwas anspruchsvollere Textilkritik müsste mindestens auch technische Finessen (Materialmix?, Funktionalität?) und Vereinsgeschichte (Farbspektrum?, historisches Zitat?, Genealogie?) berücksichtigen. Auch wäre es interessant zu erfahren, wer denn nun tatsächlich für den Look verantwortlich zeichnet – sind spezialisierte Designer am Werk oder stammen die Entwürfe aus der industriellen Standardserie und werden lediglich an die Vereinsfarben angepasst? Dürfen modeaffine Spieler, Manager oder Präsidenten ein Wörtchen mitreden?

Wie spannend der Dialog zwischen Sport und Mode sein kann, zeigt nicht nur die kurze Szene zwischen Jürgen Klinsmann und Joachim Löw aus dem „Sommermärchen“, als sich die beiden über die passende Halbfinal-Garderobe beraten. Gerade die Kooperation der Nationalelf mit Gabriele Strehle zeigt das durchaus vorhandene Mode-Potenzial des modernen Fußballs – und gleichzeitig einen Wandel von Fußballkultur und -ästhetik. Während früher das schwere Baumwolltrikot vollgeschwitzt und gegebenenfalls im Zweikampf zerrissen wurde, schmiegen sich heute schmutz- und manchmal gegnerabweisende High-Tech-Textilien an die Spielerkörper (und auch an die Spielerinnenkörper – aber das ist ein ganz anderes Thema).

Und schließlich: innovative Trikotgestaltung zeigt sich häufig nicht auf den ersten Blick – so erntete der Beitrag von Hannover 96 bisher eher Häme als Anerkennung. Die Konturlinien, die den „Eindruck hängender Schultern“ (Spiegel Online) hinterlassen, zitieren ein umstrittenes, aber sehr erfolgreiches Trikot: nämlich das der Squadra Azzura, die im vergangenen Jahr damit immerhin den Weltmeistertitel holen konnte (damals sprach man eher von Designer-„Schweißringen“). Was man schon damals übersah – der für Puma aktive Designer Neil Barrett griff als optisches Thema das „Trainingsleibchen“ auf und überspielte durch die Gestaltung ebenjenen Effekt, der im Spiel beinahe zwangsläufig entsteht.

Intelligent Design würde man wohl sagen, wenn der Begriff nicht anderweitig besetzt wäre.

1 Kommentar

  1. meyerman schrieb am 9. August 2007:

    Tjaja, gibt es keine WM, dann kann die Sommerpause schonmal bedrückend sein für den Fußballjournalisten. Und wenn alle 70-Millionen-Deals abgewickelt und alle Prognosen abgegeben sind, dann bleiben nicht mehr viele Themen übrig. Immer wieder gern genommen sind da Trikotdesigns, auch wenn das Thema nicht viel hergibt. Erst recht nicht, wenn Ausrutscher wie VfL
    „Testbild“ Bochum oder der „Orange-Grüne Lutscher“ aus Bremen fehlen. Den Fan interessiert das herzlich wenig. Er kann es sich ja nicht aussuchen. Und den wahren Wert entfaltet ein Trikot sowieso erst am Ende der Saison. Das Absteigertrikot streift sich nie mehr jemand über. Ãœber das Erfolgstrikot wird man noch in Jahren sagen, dass das „einfach das Beste“ war…
    Problematischer ist für den Fan übrigens oft, welchen Namen man sich hinten drauf flocken lässt. Ein Mainzer Kollege wollte einst seine prophetische Fähigkeiten beweisen und ließ sich stolz den Namen „Casey“ aufdrucken („Der wird mal was!“). Nach einer durchwachsenen Saison folgten in zwei Jahren 12 Spiele und zwei Kreuzbandrisse. Die Sprüche aus der Kurve füllen mittlerweile ein ganzes Buch…

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