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Was der ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender genau meinte, kann man nur vermuten, als er dem Berliner “Tagesspiegel” mitteilte, dass man “über einen Boykott nachdenken kann, aber dieser nicht im Vorfeld angekündigt wird”. Vielleicht braucht das ZDF erst einen blutig niedergeschlagenen Protest vor laufenden Kameras, um aus der Übertragung auszusteigen. Ähnlich verhielt es sich bei der letztjährigen Tour de France, als erst im Rennen erkannte Dopingfälle zu einem Ausstieg führten, obwohl bereits seit Jahren das Ausmaß des Problems jedem informierten Journalisten bekannt war. Ganz abgesehen davon, dass man Dopingvergehen sicherlich nicht mit den akuten Menschenrechtsverletzungen in China gleichsetzen sollte.

Die WDR-Intendantin Monika Piel möchte laut Focus erst über die Berichterstattung neu nachdenken, wenn etwa die „Arbeitsmöglichkeiten für die ARD-Kamerateams eingeschränkt werden“. Als ob sie das nicht schon wären. Wann hat Frau Piel eigentlich das letzte Mal im Weltspiegel einen Bericht über China gesehen, in dem nicht darauf hingewiesen wurde, dass eine freie Berichterstattung dort unmöglich ist und Kamerateams grundsätzlich behindert werden?

Am letzten Sonntag forderte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast bei Anne Will vehement eine politische Verantwortung der Sportler in China am Ort des Geschehens, und es wurde niedlich über mögliche „erlaubte“ Protestmöglichkeiten diskutiert. Wie auf einem Kindergeburtstag, wenn heimlich beim Nachbarn ein Klingelstreich ausgeheckt wird. Wo war denn der subversive Protest der Grünen und aller anderen Parteien, als 2001 die Olympischen Spiele nach China vergeben wurden?

Der Generaldirektor des DOSB, Michael Vesper, verteidigte die Entscheidung, sich nicht einem Olympia-Boykott anzuschließen, da ein Boykott den Menschen in Tibet nicht helfen, sondern die Isolation Chinas verstärken und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von der Krisenregion ablenken werde. Es verwundert schon ein wenig, wenn ein hochrangiger Sportfunktionär, der stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war, annimmt, dass eine kritische Berichterstattung über China mit einem Boykott der Olympischen Spiele eingestellt werden würde. Auf diese Art von Appeasement-Politik reagieren nun chinesische Internetnutzer, die durch die Staatspresse lanciert, zum Boykott französischer Marken aufrufen, da die Chinesen sich vom Westen allgemein diffamiert fühlen und die Franzosen es beim Fackellauf in Paris besonders bunt trieben. Es geht uns ja auch wirklich nichts an, wie ein fremder Staat sein Volk malträtiert, foltert, ohne ordentliches Gerichtsverfahren einsperrt, hinrichtet oder auch „nur“ Kinder entführt, wie es dem damals sechsjährigen Panchen Lama, dem zweithöchsten tibetischen Würdenträger nach dem Dalai Lama, durch die chinesische Regierung ergangen ist. Ganz nach dem Motto: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.

Und jeder Fernsehzuschauer kann sich die Sendung anschauen, die er sehen will. Wenn da nur das leidige Problem der öffentlich-rechtlichen Gebührenerhebung nicht wäre. 115 Millionen Euro waren ARD und ZDF die exklusiven Übertragungsrechte der Olympischen Winter- und Sommerspiele 2006 und 2008 wert. Finanziert durch den deutschen Gebührenzahler, durch Sie und mich. Das Geld fließt an die chinesischen Organisatoren und Organisationsfirmen, die wiederum zwischen fünf bis fünfzehn Prozent Lizenzgebühren an das IOC abführen müssen. Das IOC verteilt den überwiegenden Teil seiner Einnahmen an die 202 Nationalen Olympischen Komitees sowie die 35 beteiligten Sportverbände. Damit finanzieren deutsche Gebührenzahler direkt die olympischen Spiele in China und deren Organisatoren.

Wer etwas dagegen tun will, kann handeln. Nicht die Sportler sind gefordert. Sie sind höchstens die Leidtragenden in einem Sport- und Politiksystem, das bei der Vergabe versagt hat und nun den olympischen Gedanken und die politikfreien Ideale im Sport als „Anti-Boykott-Schutzschild“ vor sich her trägt. Auch auf die Politik und deren Protagonisten können wir uns nicht verlassen, die erst zu Idealisten wurden, als die Prügel- und Folterszenen durch die deutschen Medien wanderten. Und auch das Fernsehen wird nicht handeln. Vielleicht dann, wenn es gar nicht mehr anders geht und die hässliche Fratze der chinesischen Diktatur nicht mehr zu überschminken sein wird.

Aber wir selbst haben es in der Hand. Schauen Sie sich keine olympischen Wettbewerbe im Fernsehen oder im Internet an, geschweige denn die Eröffnungszeremonie! So hart es für die Athleten sein wird, quasi den wichtigsten Wettkampf ihres Lebens vor Ausschluss der deutschen Öffentlichkeit zu absolvieren. Niedrige Einschaltquoten werden den Druck auf die Sender durch die Sponsoren extrem erhöhen, und die Mauer wird erste Risse zeigen. Schreiben Sie an die Intendanten und begründen Sie Ihren persönlichen Boykott! Und boykottieren Sie ab jetzt und in der Zeit der Olympischen Spiele alle Produkte der offiziellen Sponsoren! Es wird Auswirkungen haben, wenn deren Umsätze sinken.

Oder wir machen es wie „Frau Meier“, die folgendes Statement im Forum von zdf.de postet: „Ich werde die Olympischen Spiele in Peking wegen zu vieler dopingverseuchter Sportarten und wegen der Vorgehensweise der chinesischen Regierung gegen berechtigte Demonstrationen in Tibet auf meine persönliche Art boykottieren. Statt mir dieses Spektakel im Fernsehen anzuschauen werde ich mich mit Fragen der Autonomie Tibets und der Menschenrechte in China beschäftigen. Seine Heiligkeit, den XVI. Dalai Lama, werde ich in meine persönlichen Gebete einschließen und wünsche ihm und seinem Volk alles Gute und den Beistand, den sie zur Durchsetzung ihrer Interessen benötigen.“

Wir alle haben es in der Hand, und es ist Zeit, nicht immer mit dem Finger auf die anderen zu zeigen.

Steffen Wenzel ist Mitgründer von hartplatzhelden.de

7 Kommentare

  1. riovermelho schrieb am 18. April 2008:

    Genau so werde ich es machen.

  2. Safftis Spottplatz » Die schönste Freude wäre Vorfreude | schrieb am 18. April 2008:

    […] Ideen der vergangenen Tage fand ich wirklich gut: der von Steffen Wenzel auf direkter-freistoss.de angedachte Konsumenten-Boykott – einfach zum Desinteresse stehen, nicht gucken und die TV-Quoten in […]

  3. Gutdenker schrieb am 24. April 2008:

    Unsere Wirtschaft, Politik und die gelben Spione…

    Wie wir momentan einer prächtigen Gehirnwäsche unterzogen werden, kann man schön den Meldungen der letzten Tage entnehmen. Um mal einen Beispiel zu zeigen: der Mutterkonzern Telefónica O2 Europe hat Huawei damit beauftragt, u.a. das O2 Netz in Deut…

  4. Spiel-Magie » Re: Der Kreig ist aus - Multimedia: Spiele schrieb am 24. April 2008:

    […] und wird beigelegt – Gewinner Beide! > Wassn das für ‘ne dämliche Ansage? > > Ist das der […]

  5. Hm - Die Politik der USA ist gefährlicher als… | Politiklive schrieb am 9. Juni 2008:

    […] politikuliere der Bashingbeauftragte von Telepolis hat wieder > Zugeschlagen! > Und wer bezahlt dich für dein Türkenbashing? > Wen bitte interessiert der Iran und seine Probleme mit den USA? > Ich kenne wenige die das wirklich als wichtig ansehen. > Aha, ich glaube, du kennst gar niemanden. > Schreibt über die Türkei! Ein Staat der im großen Stil foltert und > Minderheiten > verfolgt will in die EU! Und hier schreibt keiner was dazu. > Da haben sie die nackte Angst! > Ich ärgere mich schon über die Zeit, die ich mit deinen Postings verschwende. Die USA sind weltpolitisch wichtiger als die Türkei. Vielleicht geht das nicht deinen Kopf, kann ja durchaus sein, daß deine Welt an den EU-Grenze endet. Die Türkei ohnehin nicht in den nächsten 15 Jahren in die EU aufgenommen. Sinnvoller wäre es z. B., sich mit den Verstrickungen Frankreichs im frankophilen Afrika zu beschäftigen, es sei denn, die Unterstützung von Diktatoren passt in das Konzept der EU. > FREE KURDISTAN! Du willst also einen kurdischen Staat, und damit sind alle Probleme erleidgt. Träum weiter, rosenkreuzritter. […]

  6. Die schönste Freude wäre Vorfreude « Safftis Spottplatz schrieb am 30. November 2009:

    […] Ideen der vergangenen Tage fand ich wirklich gut: der von Steffen Wenzel auf direkter-freistoss.de angedachte Konsumenten-Boykott – einfach zum Desinteresse stehen, nicht gucken und die […]

  7. Jacklyn schrieb am 3. Januar 2017:

    That kind of thniikng shows you’re an expert

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