direkter-freistoss.deNicht-anonymes Fußball-Blog 

Direkt zum Inhalt springen

Der Aufstand ist ausgefallen. Der Aufstand, von dem die Aufständischen behaupteten, dass es gar keiner werden sollte. Was ihnen aber viele nicht abnahmen, auf deren Unterstützung sie angewiesen waren. Von den vier Suppoters, die für den Aufsichtsrat des Hamburger SV kandidierten, hat kein einziger die notwendigen Stimmen erhalten. Nicht der beliebte Vorsänger aus der Kurve Johannes Liebnau, nicht der argumentativ und rhetorisch starke Journalist Manfred Ertel. Ingo Thiel und Anja Stäck waren ohnehin nur Außenseiter.

Hamburg hat konservativ gewählt. Korrigiere: Hamburg hat extrem konservativ gewählt. Kontinuität statt „Change“, wie es anmaßend obamaesk auf einem Flugblatt hieß. Die neuen und zum Teil alten Aufsichtsratsmitglieder sind fast ausnahmslos Unternehmer, seriöse, aber auch meist blasse Männer.

Der große Sieger ist Bernd Hoffmann, obwohl er gar nicht zur Wahl stand. Zumindest nicht offiziell. Die Erleichterung in seinem Gesicht und die Gratulationen, die er entgegennahm, sagen jedoch: Mit dem neuen Aufsichtsrat wird seine Arbeit als Vorstandsvorsitzender nicht schwerer werden – wie das der Fall gewesen wäre, wenn er künftig seinen Kurs von Ertel und Liebnau hätte kontrollieren lassen müssen. Hinzu kommt: Hoffmann-Vorgänger und -Gegner Jürgen Hunke wurde nicht wiedergewählt. Hoffmann fiel es nach der Wahl schwer, seine Genugtuung hinter versöhnlichen Worten, adressiert an die Verlierer, zu verbergen: „Lasst uns den Verein einen!“

Gewinner ist auch der HSV. Der Verein, der es schafft, nahezu 5.000 Mitglieder zu einem fruchtbaren Sitzungsmarathon zu versammeln und sie in eine solch wichtige Entscheidung einzubinden, ist ein Unikat. Nirgendwo anders im Profifußball hat das Volk so viel Mitspracherecht. Der Souverän hat eine souveräne Entscheidung gefällt: Freie Hand für Hoffmann, unter dessen Führung der HSV zu seiner Rolle als Bundesliga-Macht zurückgefunden hat.

Verlierer sind die Supporters. Ihr Fehler war erstens, das Maß verloren zu haben. Viele Fans, die deren Engagement prinzipiell schätzen, sind der Meinung, dass die Supporters zu weit gehen wollten. Der Auftrag aus den eigenen Reihen heißt nun klar: Für die Belange der Mitglieder sollt Ihr da sein, in wirtschaftlichen, politischen und sportlichen Fragen habt Ihr nicht mitzureden!

Zweitens hat die Basis den Hoffmann-Kritikern Ertel und Liebnau ihren sanften Kurs des Wahlkampfs nicht geglaubt. Eine „Ypsilanti des HSV“, vor der ein Redner zu Beginn warnte, wollten die Mitglieder nicht erleben. Der Favorit der Fans ist Ex-Profi Sergej Barbarez. Er mag einer der coolsten Fußballer gewesen sein; zur Frage, welche Ziele er mit seiner Kandidatur verfolge, kann er jedoch nicht viel sagen. Dass er sich durchgesetzt hat und nicht der versiertere Liebnau, macht die Niederlage für die Supporters besonders bitter.

Doch vergebens war das Engagement der Supporters nicht. Sie dürfen sich gutschreiben, Hoffmann ein Versprechen abverlangt zu haben: In seiner Rede gestand er, es sei ein Fehler gewesen, 97 Euro für ein Ticket zu verlangen. „Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.“ Hoffmann wurden Grenzen gesetzt, und er muss weiter damit leben, dass die HSVer die Frage im Hinterkopf tragen: Wie weit würde der Einzelspieler Hoffmann gehen, wenn er tun und lassen könnte, was er will?

Die offenste Kritik an Hoffmann aller Redner formulierte Christian Reichert, das im Herbst zurückgetretene ehemalige Vorstandsmitglied. Der verdiente und angesehene Supporter begründe seinen Schritt mit fehlendem Vertrauen durch Hoffmann, Reichert fühlte sich in vielen Entscheidungen übergangen und nicht als vollwertig erachtet. Doch seine Kritik verebbte, weil er sie zu einer denkbar ungünstigen Zeit vortragen musste: nach den Höhepunkten des Tages, am Ende der langen Veranstaltung.

Ob der Aufsichtsrat anders besetzt worden wäre, wenn Reichert seine Kritik vor der Wahl und damit einem aufmerksamen Publikum dargelegt hätte? Doch die Tagesordnung bestimmt nun mal mit über das Wahlergebnis – noch eine demokratische Lehre, die der HSV an diesem Tag demonstriert hat. Die Tagesordnung entsprach übrigens dem Wunsch Hoffmanns.

2 Kommentare

  1. moz schrieb am 26. Januar 2009:

    „Für die Belange der Mitglieder sollt Ihr da sein, in wirtschaftlichen, politischen und sportlichen Fragen habt Ihr nicht mitzureden!“ – wie sich das eine immer vom anderen trennen lässt, bleibt mir teilweise doch unklar, siehe Preispolitik etc.

    Gut beobachtet ist der Inhalt und die Positionierung von Reicherts Beitrag durch die Tagesordnung (an der ja auch Anträge nichts ändern konnten).

  2. Die Ausputzer schrieb am 30. Januar 2009:

    Hamburger SV, der lachende Dritte?…

    Die Hamburger lassen sich vom Pokalsieg der Bayern gegen den VfB Stuttgart nicht verunsichern, können sie doch selbst mit einem Sieg die Tabellenspitze erobern.
    Unbeeindruckt von Bayern Münchens Pokal-Gala bläst der Hamburger SV zum Angriff auf den …

RSS-Feed für Kommentare dieses Beitrags.

Leave a comment

Erlaubte Tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>