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Oliver Fritsch Don’t buy The Sun!

von Oliver Fritsch

Vor zwanzig Jahren Hillsborough, und ich meine, mich erinnern zu können, dass die Story zunächst in Deutschland so erzählt wurde: Schon wieder randalierende englische Fans. Die Sun berichtete in einem menschenverachtenden Ton über die Liverpool-Fans, und in Europa war noch Heysel frisch im Gedächtnis. Dass es Sicherheitskräfte waren, die die Katastrophe verursachten, sickerte erst im Nachhinein durch. Aber wie gesagt, es ist Erinnerung. Und die Erinnerung ist, wie wir von Uwe Johnson wissen, eine Katze: unabhängig, unbestechlich, ungehorsam. Besonders die eines Siebzehnjährigen, für den Fußball damals nicht mehr war als Leidenschaft und Ergebnis.

Oder weiß jemand mehr über die frühe Rezeption Hillsboroughs in Deutschland?

In einem informativen Text zählt Wolfgang Hettfleisch (FR) die Recherche-Lücken Hillsboroughs:

„Die Wahrheit war das 97. Opfer von Hillsborough. Sie starb in den protokollierten Aussagen der zuständigen Polizeibeamten, die jede Verantwortung abstritten. Sie wurde schamlos geschändet, als der damalige Chefredakteur der Sun, Kelvin MacKenzie, unter dem Titel ‚The Truth‘ verbreiten ließ, Liverpool-Fans hätten auf Tote und Sterbende uriniert, deren Brieftaschen gestohlen und Polizisten angegriffen, die Erste Hilfe geleistet hätten. MacKenzies ‚Wahrheit‘ war Lüge. Bis heute hat sich die Auflage des Boulevardblatts an der Merseyside nicht vom folgenden Boykottaufruf erholt: ‚Don’t buy the Sun!‘ MacKenzies Karriere nahm keinen nachhaltigen Schaden. Angehörige und Ãœberlebende haben in den vergangenen zwanzig Jahren die Erfahrung gemacht, dass Justiz und wechselnde Regierungen in England vor allem ein Interesse bis heute eint: Die Wahrheit von Hillsborough zu verschleiern.“


Christian Eichler (FAZ) schreibt: „Hillsborough hat die soziale Realität des populärsten Spiels der Welt verändert.“ Auf Zeit Online, auf Welt Online und in der SZ sind auch Gedenktexte erschienen. Joseph Blatter soll, laut Hettfleisch, mal gesagt haben: „Hillsborough war der Wendepunkt für den englischen Fußball und Beginn der Erfolgsstory der Premier League.“ Gemessen an den Konsequenzen (keine Stehplätze, höhere Ticketpreise) sachlich richtig, aber im Ton selten unsensibel.

Hillsborough wurde in den Neunzigern in der famosen englischen Krimiserie „Crackers“ (coltseavershaft übersetzt mit „Für alle Fälle Fitz“) in Folge 4 verarbeitet. Dort will ein junger Mann Rache für Hillsborough nehmen und plant, 96 Menschen umzubringen. Dargestellt wird er von Robert Carlyle, bekannt aus „Trainspotting“. Im folgenden Ausschnitt scheitert er daran, eine Mitarbeiterin einer Boulevardzeitung zu ermorden.

4 Kommentare

  1. Howie Munson schrieb am 15. April 2009:

    An die Folge mußte ich heute auch denken. Die Serie hieß hierzulande allerdings „Für alle Fälle Fitz“.

  2. Oliver Fritsch schrieb am 15. April 2009:

    Oh ja, natürlich. Mein Fehler. Ich korrigiere es.

  3. Dr Edward Fitzgerald schrieb am 21. April 2009:

    Und wenn wir schon dabei sind: die erwähnte Serie heißt im Original Cracker, nicht Crackers!

  4. Dr Edward Fitzgerald schrieb am 21. April 2009:

    Und wenn wir schon dabei sind: die erwähnte Serie heißt im Original Cracker , nicht Crackers!

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