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Ich habe mich gerade etwas länger mit dem Thema Arbeitersport beschäftigt (der Artikel erscheint im Laufe des März), und an diese Recherchen musste ich nun wieder bei der Debatte um das DFB-Urteil gegen den FC St. Pauli in Sachen Kassenrollenwurf denken.
Von einer Episode aus der Geschichte der Arbeiterkulturbewegung zu einer Zuschaueraussperrung wegen eines missglückten Versuchs, südländische bzw. südamerikanische Atmosphäre zu schaffen – das ist auf den ersten Blick ein sehr großer Gedankensprung, gewiss, also skizziere ich mal die Hintergründe: 1893 gründete sich der Arbeiterturnerbund (ATB), 1919 erfolgte die Umbenennung in Arbeitersportbund (ATSB), von dem sich 1930 noch der kommunistische Rotsport abspaltete. Der Arbeitersport stand für eine Alternative zur bürgerlich-nationalistischen Sportideologie. Es gab im Fußball auch eine Arbeiternationalmannschaft, der Werkstatt-Verlag hat deren Geschichte im vergangegen Jahr veröffentlicht (Disclosure: Dort sind auch Bücher von mir erschienen).
Im Frühjahr 1933 verboten die Nazis die Arbeitersportvereine und beschlagnahmten das Vermögen. Zählt man noch den katholischen DJK (1935 verboten) und die jüdischen Sportverbände Makkabi und Schild (1938 verboten) hinzu, kommt man auf eine Vielfalt von Sport-Massenorganisationen in den 20er und 30er Jahren. Es gab also Zeiten in Deutschland, in denen Alternativen zu den großen etablierten Sportorganisationen selbstverständlich waren.
Und damit in die Gegenwart, in der es solche Alternativen bekanntlich nicht gibt. Das Sportgericht des DFB hat ein Urteil gefällt, das nach allen juristischen Maßstäben unhaltbar ist und erst recht nach moralischen und intellektuellen – auch der Begriff Klassenjustiz sei hier gern einmal in die Debatte geworfen. Jenseits der Parallelgesellschaft DFB hätte so ein Urteil nirgendwo Bestand. Was man als Verein dagegen tun sollte, wissen Volljuristen besser, deshalb sei hiermit auf einen verwiesen. Auch die Forderung, ggf. zivilrechtlich gegen das Urteil vorzugehen, steht im Raum. Erfreulicherweise.
Aber ist nicht langsam der Zeitpunkt gekommen, ein paar Siebenmeilenstiefelschritte weiter zu denken? Hätten wir nicht lieber einen Verband, der Urteile fällt, die sich zumindest ansatzweise durch eine gewisse Plausibilität auszeichnen? Einen Verband, der vielleicht sogar eine gewisse Würde ausstrahlt? Unabhängig vom gerade aktuellen Problem des FC St. Pauli, gibt es ja genug Gründe, sich einen DFB-freien Fußball zu wünschen, man muss das in diesem Blog vermutlich nicht weiter ausführen. Zugespitzt gefragt: Brauchen wir einen Anti-DFB? Einen alternativen Verband? Ja. Ist das eine realistische Forderung? Nein, selbstverständlich nicht. Aber über Utopien nachzudenken, ist ja legitim. Und eine Fußball-Utopie, über die es sich nachzudenken lohnt, wäre ein eigenständiger Verband mit eigenem Ligensystem – wie es halt zu Arbeitersportzeiten der Fall war. Dieser Verband müsste sich auf ähnliche Weise ideologisch vom DFB absetzen wie einst der Arbeitersport. Was jetzt nicht heißen soll, dass sämtliche Positionen von einst auf heute übertragbar wären. Auch der Begriff Arbeitersport hat sich natürlich längst überlebt.
Einem Verein wie dem FC St. Pauli, der – zumindest immer dann, wenn es gerade passt – seine Andersartigkeit betont, stünde es vielleicht gar nicht schlecht zu Gesicht, sich darüber Gedanken zu machen, unter welchen Bedingungen ein paar Generationen später Fußball gespielt wird oder gespielt werden könnte. Auf jeden Fall braucht es einen Verein, der damit anfängt.

13 Kommentare

  1. Moritz Meyer schrieb am 1. März 2012:

    Nun, es gibt ja zumindest die Bunten Ligen, die auf Amateurebene mitunter eine sehr veritable Konkurrenz zum etablierten Fußball sind. Gerade in größeren Städten wird teilweise ja sogar mit Auf- und Abstieg gespielt, das Niveau ist mitunter höher als in jeder Kreisliga (oft aber auch niedriger). Auf Profi-Ebene sieht das natürlich anders aus. Aber die Frage wäre, ob nicht langfristig alle Verbände den gleichen Weg gehen. Am Anfang will man anders sein, irgendwann greifen Mechnismen, die man „Professionalisierungszwang“ nennt, man gibt sich mehr Regeln und Statuten, schließlich ist man da, wo man angefangen hat.
    Man kann sich auch ja mal im Boxen, bzw. Kampfsport generell umschauen, da sieht man, wohin eine Verbändevielfalt auch führen kann.
    Eine von ihnen skizzierte Entwicklung findet ja auch gerade im Snowboard statt, wo einige traditionelle Fahrer versuchen, wieder mehr Unabhängigkeit von der FIS zu erlangen. Den Beitritt vor einigen Jahren bereuen mittlerweile viele Pros, weil man sich damit den sklerotisierenden und kommerzialisierenden Verbandsstrukturen unterworfen hat.

  2. Martin Schröder schrieb am 5. März 2012:

    So ganz habe ich leider noch nicht verstanden, was für die Gründung alternativer Verbände spricht. Früher gab es mehrere, konkurrierende Sportverbände. Na gut. Mir fehlt aber der Nachweis, das zu diesen Zeiten irgend etwas besser war. Insgesamt scheint mir die Forderung nach alternativen Strukturen sehr stark beeinflusst zu sein von der als ungerecht empfundenen Strafe gegen den FC St. Pauli. Zu glauben, dass in einem neu geschaffenem Verband Menschen bei vergleichbaren Vorfällen zu gerechteren Urteilen kommen werden, halte ich für (Entschuldigung) etwas naiv, denn der „Verurteilte“ wird wohl meist der Ansicht sein, dass das Strafmaß geringer hätte ausfallen müssen, um als gerecht empfunden zu werden. Das Urteil gegen den FC St. Pauli wurde, wenn ich mich recht erinnere, allgemein zwar als hart, aber nicht absurd hart oder ungerechtfertigt aufgenommen. Die Forderung (oder der Wunsch) nach einem neuen Fußballverband hauptsächlich mit diesem Urteil zu begründen, kommt mir daher doch ziemlich abwegig vor. Vielleicht gibt es ja auch noch andere, bessere Argumente für weitere Sportverbände (aber sicherlich auch zahlreiche Gegenargumente, die man auch nicht übersehen sollte). Der Hinweis von Moritz Meyer auf Sportarten, die derzeit bereits mit mehreren Verbänden gesegnet sind, ist in dem Zusammenhang sicherlich nicht uninteressant.

  3. René Martens schrieb am 5. März 2012:

    @ Martin Schröder: Das Urteil in Sachen St. Pauli ist kein Hauptargument, es war lediglich ein Anlass für diese gedankenspielerischen Überlegungen. Es hätte dafür in den vergangenen Jahren auch genug andere Anlässe gegeben. Zum Beispiel, dass ein Regionalverband des DFB eine Schwester-Plattform dieses Blogs einst mit einem absurden Rechtsstreit überzogen hat (http://bit.ly/9qFKaD). Oder dass ein gewesener DFB-Präsident einen Journalisten wegen eines in diesem Blog abgegebenen Kommentars mit einem sogar noch absurderen Rechtsstreit überzogen hat (http://bit.ly/wMzFRe).

  4. Martin Schröder schrieb am 5. März 2012:

    @René Martens: Okay, danke für die Klarstellung. Die beiden aufgeführten Fälle hatte ich natürlich verfolgt. Zumindest die Hartplatzhelden-Gerichtsverfahren sprechen sicherlich ganz klar gegen den DFB (der mir, nur um das kurz klar zu stellen, insgesamt nicht sonderlich sympathisch ist).
    Ich frage mich allerdings, ob der Punkt wirklich schon überschritten ist, ab dem man feststellen muss, dass der DFB von innen nicht reformiert werden kann. Und wenn, dann könnte man ja auch die Frage stellen, ob die Forderung nicht vielleicht lauten sollte, den Profifußball samt Nationalmannschaft aus dem DFB auszulagern, um die in manchen Fragen unterschiedlichen Interessen zum Amateurlager nicht unter dem Dach eines einzigen Verbandes zusammen bringen zu müssen. Zwei oder mehr für den Amateurbereich zuständige Verbände mit unterschiedlichen Ligen, eigenem Schiedsrichterwesen, womöglich sogar eigenem Regelwerk (oder soll man sich dem FIFA-Regelwerk unterwerfen?): das scheint mir nicht unbedingt im Interesse der Fußballspielenden zu sein. Solange es nur ums Freizeitbolzen am Wochenende geht, benötigt man aus meiner Sicht keine festen Verbandsstrukturen. Die ja schon erwähnten Bunten Ligen sind dann für viele sicherlich der richtige Rahmen. Aber sobald es etwas „ernster“ wird und überhaupt erst der Bedarf an Verbandsstrukturen entsteht, liegen die Interessen (trotz aller aus meiner Sicht berechtigten Kritik am DFB in Einzelfragen) der meisten Aktiven nicht so weit auseinander, dass ich einen Bedarf an mehreren parallelen Verbänden sehe. Urteile, die als ungerecht empfunden werden, wird es immer geben. Unsympathische Vorsitze hat man auch fast überall – die Aussicht auf ein kleines bisschen Macht zieht selten Sympathieträger an, so dass sich wohl auch im Vorstand der „Parallelverbände“ schnell eine Ansammlung wenig angenehmer Zeitgenossen einfinden dürfte.

  5. René Martens schrieb am 7. März 2012:

    Ich könnte mich auch für eine Idee erwärmen, die irgendwo zwischen der von mir angesprochenen Utopie und der Bunten Liga anzusiedeln wäre: einen reinen Amateurfußballverband. Der könnte entstehen, wenn die Amateurklubs der Anti-Amateurfußball-Politik des DFB endgültig überdrüssig sind. Aber auch das ist selbstverständlich utopisch.

  6. OF schrieb am 14. März 2012:

    Diese Idee (Amateurfußballverband) kam mir auch schon. Es gibt einfach niemand Nennenswerten im DFB, der die Interessen der Amateure vertritt.

    Ich habe den Ressortverantwortlichen Korfmacher auf dem Bundestag im März reden gehört. Handzahm, brav und bieder hat er in seiner Rede dem „lieben Theo“ für sein Engagement für die Amateure gedankt. Zur Erinnerung: Vor drei Jahren hat die DFL mit großer Unterstützung Zwanzigers das Sonntagsspiel um 15.30 Uhr eingeführt.

  7. Rene korfmacher | Ezfortz schrieb am 1. April 2012:

    […] Brauchen wir einen Konkurrenzverband zum DFB? | Blog für den … Address: http://ezfortz.shikshik.org/2012/04/01/rene-korfmacher/ « Comm sys Trackbackno comment untill now […]

  8. Matthias schrieb am 14. Mai 2012:

    Natürlich wirklich nur Utopie, aber: Angesicht z.B. der aktuellen Regionalligareform könnten sich ja sämtliche Vereine unterhalb der Dritten Liga zu einem neuen Verband zusammenschliessen (der ja immerhin mit nach wie vor um die 25.000 Vereinen sofort einer der weltweit größten Sportverbände wäre ;-), anstatt wie jetzt für die Profiklubs eine attraktive und praktisch kostenlose Ausbildungskulisse darstellen zu müssen. Ärmer wären sie dann wohl auch nicht, als in Zukunft mit den aktuellen Bedingungen.

    Ist selbstverständlich nicht (ganz) ernst gemeint – aber nur eine ähnliche Drohung würde DFB und DFL wohl dazu bringen, ihre momentane Politik der Abschottung bei gleichzeitiger erstickender Überpräsenz der Zweitmannschaften ein bischen zu überdenken.

    Wenigstens die längst überfällige Farmteam-Liga für die Profimannschaften müssten Sie dann wohl endlich zur Beruhigung der Gemüter einführen …

  9. René Martens schrieb am 14. Mai 2012:

    @Matthias: Das Interessante ist ja, dass die jetzige Pro-Profi- und Anti-Amateurpolitik letztlich auch den Profivereinen schaden wird. Langfristig nämlich wird der Amateurfußball keine „Ausbildungskulisse“ für die Profivereine mehr sein können. Es ist ja absehbar, dass er weiter ausbluten wird. Wir werden es dann mit einer Krise zu tun haben, die sich nicht nur darin äußert, dass ab und zu mal ein Klub aus der 5. Liga Insolvenz anmeldet. Es wird dann an die Substanz gehen, das Fundament des organisierten Fußballs wird brüchig.

  10. boheme schrieb am 21. Dezember 2015:

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