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Der Fall Amerell wird wohl noch einige Wellen schlagen, darauf deuten nicht nur Andeutungen von Michael Kempter hin („Es geht hier nicht nur um mich“). Die SZ bleibt dran und beobachtet ein „juristisches Kräftemessen“ zwischen ihm und dem DFB, das den Verband in Bedrängnis bringen werde. Amerells Anwalt Jürgen Langer macht jedenfalls einen kämpferischen Eindruck, er wird mit Kritik an der Mauertaktik aus Frankfurt zitiert: „Falls dem DFB strafrelevante Sachverhalte gegen meinen Mandanten vorliegen, muss er diese an die Staatsanwaltschaft weitergeben; schon, um sich nicht dem Vorwurf der Strafvereitelung auszusetzen.“

Langer werde am Montag Akteneinsicht erhalten und gegebenenfalls den DFB auf Rufmord verklagen, der am Freitag den Verdacht gegen Amerell mit einer Pressemitteilung erhärtet hatte, lesen wir in der BamS. Dort kommt auch Udo Konstantopoulos, Schiedsrichter in der Bayernliga, zu Wort: „Amerell hatte schon immer seine Lieblinge, die er bevorzugte und förderte.“

Konstantopoulos gebe an, auf einem Schiedsrichterlehrgang im Jahr 2005 Amerell bei Näherungsversuchen beobachtet zu haben: „Ich habe damals zusammen mit einem weiteren Kollegen Beobachtungen gemacht, aber mir noch nichts weiter gedacht. Erst jetzt nach den Veröffentlichungen rückt das Ganze in ein ganz anderes Licht.“ Das habe er nun dem DFB mitgeteilt: „Was ich damals gesehen habe, habe ich zu Papier gebracht. Jetzt möchte ich auf eine Antwort des DFB warten, bevor ich mich weiter äußere. Nur eines ist mir wichtig zu betonen: Ich möchte mich auf gar keinen Fall an Amerell rächen – obwohl er meine Karriere nicht gerade gefördert hat.“

Auf Welt Online distanziert sich DFL-Präsident Reinhard Rauball vom Schiedsrichterwesen des DFB:

Die Situation ist äußerst unbefriedigend, weil das Prozedere nicht dem entspricht, wie man es auch angesichts der sensiblen Thematik hätte machen müssen. Am 15. Januar ging ja die Bundesliga schon wieder los. Zu diesem Zeitpunkt ist die Information von Roth gerade erst in die DFB-Zentrale weitergeleitet worden. Das ist völlig unverständlich. Die Brisanz des Schreibens von Kempter an Roth war ja offensichtlich. Da hätte es einer wesentlich schnelleren Reaktion bedurft, sogar noch vor Weihnachten. (…) In der Liga hat sich in den letzten Jahren ein ungutes Gefühl breit gemacht, was das Schiedsrichterwesen angeht. Es hat zu viel Tummeln in Eitelkeiten gegeben. Es gibt vieles, was den Grundsätzen eines geordneten Schiedsrichterwesens widerspricht. Es geht auf Sicht nur mit einer personellen Neuordnung. Das Schiedsrichterwesen darf kein Geheimorden sein.

Auch an Oliver Bierhoff übt Rauball in diesem Interview Kritik, ebenso an den Strukturen des DFB-Präsidiums und der Außendarstellung. Theo Zwanziger sei aber der richtige Präsident.

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Zum Bundesligawochenende: Es ist schwer auszuhalten, wie kleinlich deutsche Schiedsrichter außerhalb des Strafraums pfeifen. Das wird von Spieltag zu Spieltag sichtbar. Am leichtesten hat man es am eigenen Strafraum, da muss man nur fallen. Kostet wenig, weil der Vorteil für die Begünstigten nicht so deutlich sichtbar wird. Man landet als Schiedsrichter nicht als Angeklagter im Fernsehgericht, weil die Fehlentscheidung nie ein Tor zur Folge hat. Während ich das schreibe, bekommt der Frankfurter Maik „die Axt“ Franz einen Freistoß von Babak Rafati geschenkt. Er hat sich im Zweikampf mit Pappis Demba Cissé einfach nur fallen lassen. Über Raphael Schäfer wollte ich ein paar Worte verlieren, aber das tat ein anderer schon. Zu Jörg Dahlmann hab ich mir Schweigen verordnet.

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Am Freitagabend, auf dem Heimweg vom Training, fragten mich eine Frau und ein Mann vor meiner Haustür, unweit des Millerntors, nach dem Weg. Pauli hatte gerade 0:0 gegen den Tabellenvorletzten gespielt. Als sie meine blaue Stadionjacke sah, reagierte sie entgeistert und, wenn ich nicht irre, keineswegs konfliktfrei: „HSV oder was?!“ „Nein, Blankenese“, erwiderte ich. Ohne zu wissen, ob diese Selbstverortung hier besser ankommt. Doch er, Pauli-Mütze auf dem Kopf, fragte: „SV oder Komet? Ich spiele nämlich Senioren bei Komet.“ Ich bin zwar nicht bei Komet, sondern bei SV, doch die Situation war trotzdem aufgelöst. Was das komplizierte Geflecht von Rivalitäten und Loyalitäten in Fußballhamburg betrifft, bin ich noch unsicherer Anfänger.

1 Kommentar

  1. nona schrieb am 15. Februar 2010:

    Was mich an diesem „Fall“ sehr ankotzt ist die Verquickung allenorten von strafrechtlicher Relevanz einerseits und Privatsphäre andererseits. Sowohl die allgemeine Berichterstattung als auch das Verhalten von Verbänden und Funktionären hinterlassen stark den Eindruck, der „Skandal“ oder das „Problem“ sei, dass ein Mann wie Amerell möglicherweise homosexuelle oder weiss der Geier was sonst noch für Neigungen haben könnte. Es wird willentlich und latent akzeptiert, dass das Bild eines „Perversen“ entsteht, dessen Rücktritt ja dann wohl nur zu begrüssen sei usw. usf. – für den Schutz der Privatangelegenheiten aller Beteiligten abseits des Strafrechts wird nicht ein Hauch unternommen. Gerade seitens des DFBs -Theo Zwanziger allem voran- ist das ein Armutszeugnis, angesichts der Lippenbekenntnisse auch der jüngeren Vergangenheit zum vermeintlichen Schutz schwuler Fussballer. Die Botschaft ist, dass es ganz offensichtlich *nicht* okay ist, im deutschen Fussball schwul zu sein (und gleichzeitig asexuell und zölibatär…).

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