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Aus dem Volkspark Uli Hoeneß, das Stimmungsbarometer des FC Bayern, gab sich nach der 0:1-Niederlage in Hamburg gelassen. In der Mixed Zone hatte er einige Fragen nach Zé Roberto zu beantworten, den er im Sommer nach Hamburg ziehen ließ. Er hatte ihm einen Vertrag über ein Jahr Laufzeit angeboten. Der HSV wollte den 35-jährigen zwölf Monate länger binden, was den Ausschlag gab.

Gestern war der neue Held Hamburgs mit einem Geistesblitz an dem entscheidenden Stich gegen seinen Ex-Verein beteiligt, als er Mladen Petric den Ball formidabel zum Tor auflegte. „Dass Zé Roberto ein guter Fußballer ist, wussten und wissen wir“, sagte Hoeneß, „aber wir setzen jetzt mehr auf die Jungen wie Holger Badstuber und Thomas Müller.“

Hoeneß wollte den, immer naheliegenden, Eindruck verwischen, dass sich der FC Bayern den Erfolg mit seinen Festgeldkontomillionen erkaufen will. Zur Erinnerung: Allein für Mario Gomez und Arjen Robben gab der Badstuber-Müller-Förderverein in dieser Saison rund 60.000.000 Euro aus.

Dieser Investition zum Trotz, hat der Klub Unwuchten im Kader: Die Abwehr, inklusive Torwart, dürfte für die Champions League zu schwach sein, vielleicht auch für die Meisterschaft in der Bundesliga. Dafür saßen gestern zwei deutschen Internationale auf der Bank: Miroslav Klose und Mario Gomez, der in dieser B-Rolle besonders unglücklich wirkt. Weltmeister Luca Toni, einer der bestverdienenden Profis der Liga, dem zudem ein guter Draht zur Vereinsführung nachgesagt wird, misst sich zurzeit im Reserveteam mit der Spielvereinigung Unterhaching und Erzgebirge Aue. Alle drei sind Mittelstürmer erster Güte. Alle drei verkümmern derzeit im Schatten Franck Ribérys und Arjen Robbens. Selbst die Nobodies Badstuber und Müller rangieren in der Hierarchie vor ihnen. Wie der ehemalige Hamburger Ivica Olic, noch zu Zeiten Jürgen Klinsmanns verpflichtet, der jedoch in seiner alten Heimat unsichtbar war.

Viele unzufriedene Stürmer, viel zu moderieren für Louis van Gaal, dessen Stärke der Dialog nicht zu sein scheint. Auf der Pressekonferenz blaffte er in arroganter Weise einen Journalisten an, nachdem dieser eine harmlose Frage nach der Taktik gestellt hatte. Dabei ging es um einen durchaus spannenden Aspekt, denn in der ersten Halbzeit wies van Gaal seine Elf in einer ungewöhnlichen 3-3-3-1-Formation an – ein System, für das Jürgen Klinsmann belächelt wurde. In der zweiten Halbzeit stellte van Gaal auf die übliche Viererkette um.

Beim Gegentor muss es dem holländischen Taktikgeneral aber die Stiefel ausgezogen haben, denn es war der eingewechselte Stürmer Gomez, der in diesem Moment des rechten Verteidigers einnahm. Und für Zé Roberto kein großes Hindernis war. Breno, eigentlich für diese Gefechtsposition vorgesehen, war verschwunden; auch Abwehrchef Daniel van Buyten, Bayerns Bester, war ein einziges Mal nicht konzentriert; und Philipp Lahm ließ den Schützen aus den Augen. Zé Roberto und Petric narrten fünf Bayern.

Es war wieder mal ein spannender, sehr stimmungsvoller und extrem lauter Fußballabend in Hamburg. Richtungsweisend war er nicht. Die Bayern waren nahezu ebenbürtig, ihr Sturm auf die vorderen Ränge wird sicher nur verschoben, nicht aufgehoben. Und der HSV hat zu viele Verletzte und, auch deswegen, zu viele Schwachstellen im Team: Der tschechische Innenverteidiger David Rozehnal zehrte vor allem in der ersten Halbzeit mit einer horriblen Leistung an den Nerven der Fans, sein Partner Joris Mathijsen hatte alle Füße voll zu tun, um dessen Fehler zu beheben. Im Sturm kann man sich nur auf Petric verlassen, der schwedische Zugang Marcus Berg, gestern zur Pause eingewechselt, hüpft und schleicht schüchtern herum. Gestern musste zudem Guy Demel verletzt ausgewechselt werden. Ein weiterer Hamburger Patient.
Aber es gibt einen Lichtblick: Jérôme Boateng nahm erst Robben und dann Ribéry (fast) aus dem Spiel und konnte sogar das Spiel nach vorne beleben. Stündlich rechnen die HSV-Fans damit, dass sich Joachim Löw beim 21-jährigen Boateng meldet.

Wird sich in sechs Wochen noch jemand daran erinnern, dass der HSV den ganzen September an der Tabellenspitze gestanden haben wird? Am 7. Spieltag müsse der FC Bayern nicht oben sein, sagte Hoeneß. „Ein Problem haben wir, wenn es nach dem letzten noch genauso ist.“

7 Kommentare

  1. Kraelinho schrieb am 28. September 2009:

    Mit Boateng seh ich genauso wie das Gros der HSV-Fans. Er sollte erst einmal in den Kader gegen Russland rutschen, denn er ist in seiner momentanen Verfassung besser als Tasci und Friedrich.

  2. Jelle schrieb am 28. September 2009:

    „…mit einer HORRIBLEN Leistung …“ – das ist ja ein ganz shrecklicher Anglizismus, das Wort steht ja noch nicht mal im Duden (weder horribel noch horrible).

  3. moz schrieb am 28. September 2009:

    Lacher des Tages: Ze Robertop bekam vom KIcker die Note 3. Boateng war der wichtigste Spieler beim HSV.

  4. viererkette schrieb am 29. September 2009:

    Hallo Herr Fritsch,

    Sie schreiben es, trotz (oder vielleicht wegen) der horrenden Ausgaben für Gomez und Robben haben die Bayern Unwuchten im Kader. Meine Frage und vielleicht ein Diskussionsthema für einen eigenen Blog in diesem Forum: Ist dies der Grund, dass die Bayern nach dem siebten Spieltag immer noch auf dem siebten Tabellenplatz rangieren? Dass sie mit Fußballprofessor und Taktikfuchs van Gaal genau zwei Pünktchen mehr erzielt haben als unter dem – wie es jetzt nach seinem Scheitern impliziert wird – naiven Taktikstudenten und blauäugigen Fußballneuerfinder Steffi McKlinsmann von Wolke sieben, der seinen Spieler zur Horizonterweiterung eine Bibliothek einrichten ließ? Dass der stolze FC Bayern München seit 41 Spieltagen nicht mehr Bundesligaspitze war? Dass sie nach dem – zugegebenermaßen – engen Spiel gegen Hamburg hinterher etwas rumweinen, weil ein Punkt doch eigentlich viel gerechter gewesen wäre?

    Wann hat es das zuletzt gegeben, dass die berühmte Bayern-Dominanz von anderen (Veh, Magath, Trochowski) offen in Frage gestellt wurde, und die „Mir-san-Mir-Grunddoktrin“ von pragmatisch-opportunistischen Äußerungen weichgespült wird? Klar, setzt der FC Bayern jetzt ganz auf die Jugend. Und das Konzept dafür, das reicht ganz bestimmt weit in die vergangene Saison zurück, als man beschloss Zé Roberto nur einen Einjahresvertrag anzubieten.

    Dass Badstuber und Müller die Zukunft sein werden, und man daher den alten brasilianischen Mann, der ja sogar für Bayern auf die Selecao verzichtet hatte, gehen lassen konnte – klar, das wussten Hoeneß und der Poltergeist Rummenige schon bevor die holländische Fußballkapazität erklärte, der linke Innenverteidiger müsse bei ihm Linksfüßler sein. Natürlich spricht dafür auch, dass seine Exzellenz und Kaiser, Bayern-Präsident Franz Beckenbauer, neulich ausplauderte: „Badstuber und Müller kannte ich bis zum Saisonbeginn gar nicht.“

    Ja, was ist nun der Grund, dass trotz des zweiten Neuanfangs nach Hitzfeld, der FC Bayern den Eindruck eines schnatternden, aufgeregten Wildgänsehaufens kurz vor dem Aufbruch in den Süden macht. Erst haben sie auf die Fußballrevolution des Spielerverbesserers Klinsmann und seiner kompetenten Co-Trainer aus der amerikanischen Soccer-College-League der Frauen gesetzt, dann auf das genaue Gegenteil, der hoch dekorierten, erfahrenen, knurrigen und kaum lächelnden, dafür aber mit allen Wasser gewaschenen Reinkarnation aller Fußballlehrer.

    Man tritt auf der Stelle und ist nicht dort, wo man nach eigenem Selbstverständnis am siebten Spieltag stehen sollte.

    Liegt es vielleicht daran, dass der zweifellos verdienten und überaus erfolgreichen Führungsriege um Hoeneß, irgendwie die Weitsicht und die strategische Ausrichtung abhanden gekommen sind? Immer haben sie in den vergangnen Jahren auf aktuelle Entwicklungen reagiert, ohne einem grundsätzlichen Grundgedanken zu folgen. Nach der Stuttgarter Meisterschaft haben sie zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte mit Geld nur so um sich geworfen und Ribery und Toni geholt. Anstatt nach der Meisterschaft diesen Weg weiterzugehen und die Mannschaft punktuell mit Topleuten zu verstärken, haben sie – offensichtlich auch gegen den Willen des damaligen Trainers – keinen dringend benötigten Außenverteidiger, sondern nur Durchschnittsware geholt.

    Einen Fehler, den man ja einmal machen kann. Aber auch zu Beginn dieser Saison hatte es nicht den Anschein gehabt, als ob die Kaderplanung mit van Gaal abgesprochen ist oder einer bereits vorhandenen Idee folgte. Bei Diego, der ihnen als klassischer Zehner weiterhelfen hätte können, haben sie gepennt, Gomez hat man verpflichtet, weil er eine Ausstiegsklausel hatte und es für das Prestige wichtig ist, so was aus der Portokasse bezahlen zu können („andere gehen auf die Bank…“).

    Olic musste her, weil auf dem Markt kam und man ein Exempel statuieren wollte. Schließlich vergraulten sie auch noch Lucio, den Kapitän der Selecao und über die letzten Jahre hin gesehen besten Abwehrspieler der Liga.

    Dafür kam dann auf den letzten Drücker mit Robben ein weiterer Superstar, der nun zwar ermöglicht, dass van Gaal sein Lieblingssystem spielen lassen kann. Die Konsequenz ist aber nun, dass für Gomez, Klose, Toni, Olic und mit Einschränkungen auch Müller genau eine Position im Angriff zur Verfügung steht. (Übrigens: Dass nicht ganz klug ist, einen der Mittelstürmer eben mal auf der Problemposition verteidigen zu lassen, hat Zé am Samstag in köstlicher Form demonstriert, als er den armen Gomez nach Strich und Faden verladen hat).

    Eine fundierte, langfristig angelegte Kaderplanung, der eine Grundphilosophie zugrunde liegt (Barcelona lässt grüßen), sieht anders aus.

    Aber sind diese Verfehlungen der einzige Grund, dass Bayern seinem Anspruch des Abonnementsmeister, der aus sozialem Mitgefühl heraus und nach mehreren Titeln – auch internationalen – den übrigen Mitstreitern mal ein Stück vom Kuchen abgibt, seit 41 Spieltagen einfach nicht gerecht wird? Oder ist es tatsächlich so, dass die Liga ausgeglichener geworden und enger zusammengerückt ist? Dass nicht nur der Dauerkontrahent Bremen, deren Spiel seit nun mehr einem Jahrzehnt eine entsprechende Philosophie zugrunde liegt, sondern auch Hoffenheim, Wolfsburg unter Magath, Stuttgart, Hamburg unter Baiersdörfer und mit Abstrichen Leverkusen konzeptionell gearbeitet haben und sich nun – was ihr Spielsystem betrifft – mindesten zumindest auf Augenhöhe zu den Bayern befinden?

    Ist der Vorsprung, der früher nur durch ein Fernrohr zu erahnen war, geschmolzen?

    Viele Grüße
    viererkette

  5. tafelrunde schrieb am 30. September 2009:

    @viererkette:
    Die Bayern wollten sich bewegen. Deshalb die Verpflichtung von Klinsmann. Aber wenn man an der Spitze steht und sich bewegt – egal in welche Richtung – geht’s nur nach unten.
    Und wenn man dann die genau gegenteilige Richtung mit dem Engagement von einem van Gaal einschlägt, läuft man gegen die Wand.
    So einfach ist das!
    Um es auf Marketing-Sprech zu formulieren: Bayern hat seine bombenfeste Positionierung aufgeweicht, um eine Re-Positionierung durchzuführen.
    Das ging bis jetzt ziemlich in die Hose.

  6. viererkette schrieb am 3. November 2009:

    Zählflüssige Ballstafetten, 15 Anspielstationen bis die Mittellinie erreicht ist. Null Bewegung im Spiel und daher keine Anspielstationen. Selbst die Spielvereinigung Greuther Fürth wird im DFB-Viertelfinale keine Probleme mit diesem Ich-will-100-Prozent-Ballbesitz-System, das aus einem extrem ausgeprägten Rückpass-Konzept besteht, ohne Ende lahmt und auch den besten Individualkönnern seiner Stärken beraubt. Louis van Nix. Das ist konzeptlos. Ach ja, Fußball ist keine Mathematik.

  7. viererkette schrieb am 3. November 2009:

    Da wird sich Ribery aber freuen, wenn er kommendes Jahr wieder Uefa-, äh, Europe- äh Europa-League – wie auch immer das heißt – spielen darf.

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